Essen. Uhlig und Peljhan hören im Sommer bei Rot-Weiss Essen auf. Der Klub versucht, mit seinem Wachstum Schritt zu halten. Eine Analyse.
Der Himmel über dem Ruhrgebiet meint es gerade nicht gut mit dem Stadion an der Hafenstraße. Hier, im Essener Stadtteil Bergeborbeck, legt sich draußen vor den Tribünen eine graue Decke aus Wolken über die Bronzestatue von Helmut Rahn, dem Boss, dem größten Essener Idol, dem 1954er Weltmeister. Und auf den Willi-Lippens-Platz, auf dem die Drittliga-Profis von Rot-Weiss zu Ehren ihrer „Ente“ trainieren, fallen die Regentropfen hernieder. Es deutet sich ein Gewitter an, das aber meteorologisch und vereinspolitisch die Luft im Essener Norden reinigen kann.
RWE: Spätestens im Sommer hört Marcus Uhlig auf
Sportlich läuft es zufriedenstellend für Rot-Weiss Essen, als Tabellensechster mit fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz durchaus vorzeigbar unterwegs in der 3. Liga. Für Aufregung sorgen akut die Schlagzeilen abseits des Grüns: Wie diese Redaktion erfuhr, wird der Vorstands-Vorsitzende Marcus Uhlig spätestens im Sommer an der Hafenstraße aufhören.
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Mit dem 53-Jährigen verbinden die Anhänger die Rückkehr in den Profifußball, er trat vor sechs Jahren an, um dem Deutschen Meister von 1955 den sportlichen Erfolg zurückzubringen und die finanziellen Möglichkeiten zu verbessern. Zuletzt, das ist ein offenes Geheimnis, soll es aber Unstimmigkeiten mit dem Aufsichtsrat gegeben haben. Mit Uhlig geht der ehrenamtlich arbeitende Finanzvorstand Sascha Peljhan, der 46 Jahre alte Modeunternehmer (Naketano) bleibt Rot-Weiss darüber hinaus aber noch als Sponsor erhalten. Zwei Personalien, mit denen an der Hafenstraße nicht zu rechnen war.
RWE: Der schlafende Riese
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Rot-Weiss Essen wird gerne als schlafender Riese bezeichnet; jedenfalls ist es ein Verein, der sich immer wieder selbst das Beinchen stellt. Die Zeiten von Rahn und Lippens sind längst vorbei, und dennoch wünschen sich bundesweit viele Fußballanhänger den Klub zurück im Oberhaus. Wegen der Tradition des DFB-Pokalsiegers von 1953, wegen seines Fanpotenzials – doch seit gefühlten Ewigkeiten führt dies am Wirtschaftsstandort Essen, an dem jeweils drei Dax- (E.ON, RWE, Brenntag) und M-Dax-Unternehmen (Thyssenkrupp, Hochtief, Evonik) ihre Konzernzentrale haben, nicht zum gewünschten oder erhofften Erfolg.
1991 und 1994 wurde den Rot-Weissen die Lizenz entzogen, 2010 fand sich der Klub nach einer Insolvenz zwangsabgestiegen in der fünftklassigen NRW-Liga wieder. Es folgte in der Spielzeit 2011/12 ein Aufstieg aus Ruinen, im altehrwürdigen Georg-Melches-Stadion wurde zumindest die Rückkehr in die Regionalliga gefeiert. Zehn Jahre harrten Verantwortliche, Trainer, Spieler und Fans dort aus, ehe Rot-Weiss seit 2022 als Drittligist wieder auf der Profi-Landkarte zu finden ist. Und dort? Trotz dreier suspendierter Kapitäne (Dennis Grote, Daniel Davari, Felix Bastians) saisonübergreifend erst der Klassenerhalt, aktuell eben Platz sechs, dazu die Vertragsverlängerung mit Trainer Christoph Dabrowski. Die Entwicklung: äußerst stabil.
RWE: Auf der Mitgliederversammlung kippte die Stimmung
Sie erfuhr nur hinter den Kulissen einige Dellen. Allen voran durch die letzte Mitgliederversammlung zum Ende des vergangenen Jahres, als Marcus Uhlig für den eigentlich auf soliden Füßen gestellten Verein im Geschäftsjahr 2022 ein finanzielles Minus in Höhe von 3,2 Millionen Euro präsentierte. Ein dicker Batzen, betrachtet man das Saisonbudget von rund 8 Millionen Euro, mit dem man in der Drittklassigkeit aber nur im Etat-Mittelfeld rangiert. Die Kosten für den Spielbetrieb dort wurden unterschätzt, der Hauptsponsor Harfid, ein Essener Bauunternehmen, hatte Insolvenz angemeldet – die Mitglieder fühlten sich überrumpelt, buhten lauthals, manche riefen sogar nach Marcus Uhligs Entlassung.
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Die jüngere Vergangenheit zeigte schonungslos, dass Rot-Weiss Essen sich beeilen muss, um mit dem Wachstum Schritt zu halten. Die Anforderungen sind gewachsen, es müssen weitere Kompetenzen und Kräfte auf Vorstandsebene her. Es wurden bereits Umstrukturierungen vorgenommen, zum Beispiel ein internes Controlling errichtet. Marcus Uhlig und Sascha Peljhan stehen für eine zeitgemäße Ausrichtung des Vereins, mit ihrer Arbeit und Art fanden sie aber nicht überall Anklang.
RWE: Marc-Nicolai Pfeifer soll Nachfolger von Marcus Uhlig werden
Ein Konflikt mit einigen Fans führte 2022 zu 76 Hausverboten, weil Unverbesserliche führende Funktionäre beleidigt und auf Auswärtsfahrten für gewalttätige Randale gesorgt hatten. Ende der vergangenen Saison richtete sich Kritik konkret gegen Peljhan: Auf einem Fan-Banner bei einem Spiel wurde der Gönner mit Hertha-Investor Lars Windhorst verglichen. „Eine bodenlose Unverschämtheit“, sagte Uhlig danach der Welt, „aber es offenbart die selbstzerstörerischen Kräfte, die es leider Gottes im Umfeld von RWE auch gibt.“
Die Probleme, aber auch die positiven Perspektiven bei Rot-Weiss Essen werden spätestens ab dem Sommer Marc-Nicolai Pfeifer beschäftigen, der 43-Jährige war bis Anfang dieses Monats dreieinhalb Jahre Geschäftsführer beim Liga-Konkurrenten TSV 1860 München und soll nach Informationen dieser Redaktion Nachfolger von Marcus Uhlig werden. Das Ziel an der Hafenstraße ist es, im Stadion künftig 26.500 statt bisher 19.500 Fans Platz bieten zu können. Sofern es zu dem Ausbau kommt, wäre Rot-Weiss Essen in dieser Hinsicht schon zweitligareif.