Essen. Rot-Weiss Essen performt krass über. Wie das? Unsere Datenanalyse und Steegmann liefern Erklärungen. Zahlen belegen Probleme in der Defensive.
Jahn Regensburg hatte mehr Ballbesitz, gewann mehr Zweikämpfe, hatte ein sattes Chancenplus – 17:4 lautete die Torschuss-Statistik. Und doch feierte Rot-Weiss Essen in Regensburg nach 96 packenden Drittligaminuten am Samstag einen 3:1-Sieg.
Das ist nichts Neues: In dieser Drittliga-Saison ist Christoph Dabrowskis Mannschaft eine echte Statistik-Widerlegungsmaschine. Das zeigen die Daten und Zahlen, die wir gemeinsam mit unserem Kooperationspartner „Createfootball“ analysiert haben.
Lesen Sie hier Teil eins unserer Datenanalyse: Darum ist Harenbrock für RWE unverzichtbar.
Das RWE-Team spielt in dieser Spielzeit phasenweise berauschenden Offensivfußball, hinten aber ist es anfällig. Da muss man sich nur die Anzahl der Gegentore anschauen: 36 Treffer hat RWE in 25 Partien kassiert. Das ist mehr als jeder andere der zehn top-platzierten Drittligisten, wenngleich dieser Wert durch die beiden Klatschen gegen Unterhaching (0:4) und Verl (0:5) in die Höhe getrieben worden ist. Dennoch ist die Defensive die Problemzone.
Rot-Weiss Essen: Probleme in der Verteidigung
Nur vier Teams sind im Zweikampfverhalten ineffizienter als Rot-Weiss. Beide Rechtsverteidiger, Eric Voufack (48 Prozent) und Andreas Wiegel (52 Prozent) liegen klar unter dem Liga-Schnitt von 60 Prozent gewonnenen Defensivzweikämpfen. Hinten rechts ist RWE anfälliger als links, wo Lucas Brumme eine bärenstarke Runde spielt, nicht nur als Impulsgeber für die Offensive: Brumme gewann 62 Prozent seiner Zweikämpfe. Bitter für RWE: Am Samstag fehlt er den Essenern im Topspiel gegen Ulm.
Auch die „Expected Goals“ sind eine Betrachtung wert. Sie werden mithilfe diverser Faktoren berechnet. Jede Torchance bekommt je nach Qualität eine Zahl zwischen 0 und 1 zugewiesen. Man sieht so, wie wahrscheinlich es ist, dass die Chance zum Tor führt. Je höher die Zahl zwischen 0 und 1, desto besser die Tormöglichkeit.
RWE hätte, zieht man dieses Modell hinzu, schon neun Gegentore mehr kassieren müssen. Allein Schlusslicht Freiburg weist einen höheren Wert auf. Wie das? Die schwache gegnerische Chancenverwertung und ein starker Jakob Golz im Tor sind die Ursache und erklären die Überperformance in diesem Sektor.
Rot-Weiss Essen hat mehr Punkte als erwartet geholt
Interessant wird es, wenn man die rot-weissen „Expected Goals“ pro Partie mit denen des Gegners vergleicht. Man erhält dann sogenannte „Expected Points“ – basierend auf den Torchancen wird ausgerechnet, wie viele Punkte eine Mannschaft rein statistisch betrachtet hätte holen müssen. Die Diskrepanz in dieser Statistik ist bemerkenswert.
In der „echten“ Drittliga-Tabelle sind die Essener derzeit Vierter mit 42 Punkten. In der „Expected Points“-Tabelle hingegen steht RWE auf dem viertletzten Platz, hätte lediglich 29 Zähler geholt. Ein größerer Unterschied findet sich bei keiner weiteren Mannschaft der ersten drei Ligen. So lässt sich die These aufstellen: Rot-Weiss Essen hatte bisher großes Spielglück und performt über.
Alles zum 3:1-Sieg von RWE in Regensburg
- Zum Nachlesen: So holte Rot-Weiss Essen den Dreier.
- Unsere Noten zum Auswärtssieg der Essener.
- „Das tut mega gut“: Dabrowski über das 3:1.
Wie kommt das zustande? Und zeigt die Überperformance, dass der Höhenflug einfach nur Glück ist? Nein. Das Schöne und Besondere am Fußball ist ja, dass Daten nur eine Seite der Wahrheit abbilden. Dieser Sport übt eine starke Faszination auf so viele Menschen aus, da in 90 Minuten alles passieren kann: Unvorhersehbares, Überraschendes, Kurioses.
Wie sonst hätte Griechenland 2004 Europameister werden, Leicester City 2016 die Premier League gewinnen können? Oder RWE den Sieg in Regensburg holen können? Chaos auf dem Platz, Emotionen, Willen lassen sich statistisch schlecht bewerten und vergleichen.
RWE-Kaderplaner Steegmann: „Wir haben noch große Potenziale“
Für Marcus Steegmann, Direktor Profifußball bei RWE, liegt hier die Erklärung der Überperformance: „Unsere Energie in der Mannschaft, der Zusammenhalt im Team und mit den Fans sind wichtige Faktoren. Und wir haben Spieler im Kader, die Partien mit ihren Einzelaktionen allein entscheiden können.“ Also schlägt Leidenschaft die nackten Zahlen, das Momentum in einem Spiel, gar in einer ganzen Saison, ist ebenfalls entscheidend – und RWE hat bekanntlich schon häufig Spiele in der Schlussphase entschieden.
So haben sich die Rot-Weissen eine gute Ausgangsposition verschafft. Wenn sie an diesem Samstag das Heimspiel gegen den SSV Ulm 1846 gewinnen, würden sie den Aufsteiger überholen und auf dem dritten Tabellenplatz stehen. Klar, dass schon jetzt eine gewisse Euphorie herrscht. Bremsen möchte diese niemand, Steegmann und Co. können das Abschneiden aber ganz gut einordnen.
Rot-Weiss Essen siegt in Regensburg: „Waren effizienter“
„Wir arbeiten selbst mit Daten und analysieren unsere Spiele“, sagt der 43-Jährige. „Wir sehen auch, dass Jahn Regensburg einen besseren Expected-Goals-Wert als wir hatte, sodass wir den Sieg richtig einschätzen könnenn. Wir waren effektiver und effizienter“ meint er, „und wir haben noch große Potenziale.“