Essen. Drei Jahre ohne Verein, jetzt mit Sandhausen bei Rot-Weiss Essen: Warum Jens Keller, früher Champions League auf Schalke, nun Dritte Liga coacht.

Was man nicht alles aus Freundschaft tut, zum Beispiel: einen Vertrag beim SV Sandhausen unterschreiben. Jens Keller hat es im Oktober getan. „Ich kenne ihn seit vielen Jahren, er ist einer meiner besten Freunde“, sagt der 53-jährige Trainerveteran über Matthias Imhof, den Sportdirektor des Drittligisten SVS. Ein Rückschritt, könnte man meinen.

Keller, da war doch was. Wurde vor neun Jahren auf Schalke entlassen. Champions League, Derbysiege gegen den BVB; hach, was würden sie in Gelsenkirchen dafür geben, das alles und noch viel mehr wieder zu erleben. Weit weg, weit her.

Jens Keller bei Rot-Weiss Essen – zurück im Revier, wo alles so schön war

Keller musste im Herbst 2014 gehen, er unterschrieb dann bei Union Berlin. Dann beim FC Ingolstadt, dann beim 1. FC Nürnberg. Alle Engagements: nicht von nachhaltigem Erfolg gekrönt. Und so musste sich Keller, der ruhige Stuttgarter mit den tiefen Furchen auf der Stirn, arbeitslos melden.

Drei Jahre und vier Monate dauerte es, bis er beim SV Sandhausen wieder einsteigen durfte in den Zirkus Profifußball. Der langjährige Bundesliga-Coach, international erfahren, half seinem alten Kumpel Imhof, beide kickten gemeinsam bei 1860 München. Und der wiederum half Keller, aus der Bedeutungslosigkeit auf die Bühne zurückzukehren. Beide, Sportchef und Trainer, müssen in dieser Saison liefern. Der Druck ist groß.

Alle Brennpunkte bei Rot-Weiss Essen:

Imhof fing im Juni dieses Jahres am Hardtwald an. Er stellte die Mannschaft nach dem Abstieg in die Dritte Liga neu zusammen. Große Namen, man denke da an Rouwen Hennings, der verdient wie ein Zweitliga-Fußballer. Alexander Mühling eisten sie aus Kiel los, ein Coup. Klar: Nach elf Jahren im Bundesliga-Unterhaus konnte das Ziel nur lauten, schnell wieder dorthin zurückzukehren.

Sandhausen verpflichtete Danny Galm. Der Coach aus der Region trainierte vorher Nachwuchsteams der TSG Hoffenheim und Bayern München. Guter Ruf, junger Trainer, es passte aber nicht. Nach zwölf Spieltagen war der SVS Elfter und Galm Geschichte.

Jens Keller ist mit dem SV Sandhausen noch ungeschlagen

Einen Tag nach seiner Entlassung zauberte Imhof Jens Keller auf die Bank. Ein Mann, bekannt dafür, leise Töne anzuschlagen. Kein Zampano an der Seitenlinie. Sagen wir mal: Sein Gegenentwurf in Liga drei hieße Sascha Hildmann. Der Münsteraner hatte sich beim Gastspiel in Essen mit der Haupttribüne gefoppt, an diesem Samstag, wenn Keller an die Hafenstraße kommt, ist das nicht zu erwarten.

Hier geht es zum RWE-Talk „Vonne Hafenstraße“ – zu Gast ist Marcus Steegmann.

Jens Keller ist keiner, der aneckt, sondern ein ganz besonnener Vertreter seiner Zunft. Womöglich wurde ihm das auf Schalke zum Verhängnis. Zu wenig Ruhrpottatitüde, zu wenig Profil? Ausgerechnet in Essen-Bergeborbeck, zehn Kilometer Luftlinie von der Veltins-Arena, in der Keller seine größten Erfolge feierte, entfernt, steht für ihn vieles auf dem Spiel. Er kann an RWE vorbeiziehen oder sich von RWE abhängen lassen.

Ob er es noch draufhabe nach drei Jahren und vier Monaten Zwangspause, fragten ihn die Kollegen von „Sport1“ jüngst. Natürlich habe er das. Zweifeln sei keine Option, antwortete der grau melierte Schwabe, für den das Engagement in Sandhausen wohl die letzte Chance sein dürfte, sich wieder ins Rampenlicht zu coachen. Er sei Optimist und Realist, sagte er zudem mal.

Haben Bock auf die Hafenstraße und Sandhausen: die Spieler von Rot-Weiss Essen.
Haben Bock auf die Hafenstraße und Sandhausen: die Spieler von Rot-Weiss Essen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Jens Keller: Optimist und Realist

Der Optimist in ihm wird an den Aufstieg glauben. Bislang liefert Keller: Noch ungeschlagen in der Liga, im DFB-Pokal flog seine Truppe nach Verlängerung gegen Bayer Leverkusen raus, kann passieren. Die Sandhäuser haben sich auf Platz neun vorgeschoben. Der Rückstand auf den dritten Rang beträgt drei Zähler. Ein Sieg in Essen und Kellers Mannschaft wäre mittendrin im Aufstiegsrennen.

Der Realist in ihm wird mahnen. Nach der Partie in Essen kommen die angeknacksten Waldhöfer zum Kurpfalz-Duell ins Hardtwald-Stadion, danach geht es zu den ebenfalls ambitionierten, ebenfalls unterm Radar fliegenden Ingolstädtern – drei alles andere als leichte Aussichten.

Zumal Rouwen Hennings, der Topstürmer, ausfallen wird. Am vergangenen Spieltag musste der Routinier in der 22. Minute verletzt ausgewechselt werden. Diagnose: Faserriss. Jens Keller wird sich schon in Ruhe etwas überlegen.

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