Essen. Debakel im Juni, Entlastung im November: Wie Rot-Weiss Essens Führungsriege seine Mitglieder zurückgewonnen hat – eine kommentierende Analyse.

Was wohl in Christoph Dabrowskis Kopf vorgegangen sein mag? Bei der turbulenten Jahreshauptversammlung im Juni forderte manch ein Mitglied seinen Rauswurf. An diesem Sonntag, bei der außerordentlichen Nachfolge-JHV von Rot-Weiss Essen, wurde er, wurde sein Trainerteam, wurde die gesamte Mannschaft mit Standing Ovations verabschiedet. „Auswärtssieg“, das skandierten die Mitglieder in der Messe Essen.

podcast-image

Der Erfolg, der RWE dieser Tage durch die Dritte Liga schweben lässt, kam den Funktionären zugute, natürlich tat er das. Man muss sich kurz vorstellen, was passiert wäre, wenn die JHV am Tag nach dem Verl-Debakel angestanden hätte. Mit fünf Siegen in Folge ist eben alles leichter. Und so nutzten die Verantwortlichen sämtliche Kniffe, um die positiven Emotionen bei den anwesenden Mitgliedern anzuzapfen und zu verstärken.

Rot-Weiss Essen: Entlastungen sind eine klare Sache

Jedes Tor der bisherigen Drittliga-Saison wurde auf der Leinwand gezeigt. Versammlungsleiter Walther Müggenburg lobte die RWE-Fans für ihre Reisefreude und erwähnte gar ohne jeden Tadel die Pyroshow in Dortmund. Marcus Uhlig (Vorstandsvorsitzender) und André Helf (Vorsitzender des Aufsichtsrates) schwärmten von der Choreographie der „Rude Fans“ zum 15. Geburtstag der Ultra-Gruppierung.

Der Vorstand und Aufsichtsrat von Rot-Weiss Essen (v.l.): Alexander Rang, Sascha Peljahn und Marcus Uhlig sowie André Helf (Aufsichtsratsvorsitzender) und Thomas Hermes – für sie hätte die JHV kaum besser laufen können.
Der Vorstand und Aufsichtsrat von Rot-Weiss Essen (v.l.): Alexander Rang, Sascha Peljahn und Marcus Uhlig sowie André Helf (Aufsichtsratsvorsitzender) und Thomas Hermes – für sie hätte die JHV kaum besser laufen können. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Ja, die Choreo sah fein aus, keine Frage. An rhetorischen Feinheiten wie diesen ließ sich aber auch eine gewisse Nervosität heraushören – und dass für die Führungsebene des Klubs eine Menge auf dem Spiel stand. Sie wollten alle, auch die aktive Fanszene, mitnehmen und von einer Entlastung überzeugen. Hat geklappt. Uhlig erhielt 612 Pro-Stimmen. Gegen ihn stimmten 57 Mitglieder, 27 weitere enthielten sich. Beim Aufsichtsrat stimmten 609 für die Entlastung, 59 gegen sie, 39 enthielten sich. Das war deutlich.

Stadionausbau: Rot-Weiss Essen macht wichtigen Schritt

147 Tage lagen zwischen beiden Versammlungen, die Wende ist der Drittliga-Mannschaft um Dabrowski seitdem gelungen – und auch den Vereinsverantwortlichen. Rot-Weiss Essen und seine Mitglieder haben damit ein Zeichen nach innen und außen gesetzt. Das war verdammt wichtig.

Die Brennpunkte zur JHV von RWE:

Oberbürgermeister Thomas Kufen machte in seinem Eingangsstatement klar, dass die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat erwartet werde, damit die Ecken im Stadion an der Hafenstraße geschlossen werden. Der Ausbau hing von der Abstimmung ab. Auch (potenzielle) Sponsoren schauten genau hin, ob sich die Rot-Weissen selbst zerfleischen oder die Reihen schließen. Die Erleichterung war Uhlig, Helf und Co. nach der Veranstaltung anzusehen.

Wie haben sie den Turnaround geschafft? Sicherlich wegen ihrer Reflexion und Selbstkritik. Marcus Uhlig entschuldigte sich an diesem Sonntag nochmals für die beschämende Runde im Juni. André Helf bezeichnete diese kurz darauf als „GAU“ und nahm das Wort „sorry“ in den Mund, als er über seine Rede sprach. Er hatte Teile der aktiven Szene heftig kritisiert und räumte nun wiederholt ein, dass der Zeitpunkt damals nicht klug gewesen sei.

Zum Nachlesen: Die Chronik der denkwürdigen JHV im Juni.

Transparenz ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft

Die Wende haben sie auch geschafft, da ihren Worten Taten folgten. Wie die zwölf Apostel saßen Vorstand und Aufsichtsrat nebeneinander auf der Bühne. Ganz anders als im Sommer, als sich die Funktionäre in Grüppchen verteilt im Publikum befanden. Wer Zusammenhalt fordert, der muss diesen auch demonstrieren.

Der Stream und die Online-Abstimmung für Mitglieder, die nicht vor Ort sein konnten, funktionierten ebenfalls reibungslos. So soll das sein, so darf man das von einem Drittligisten erwarten: professionell. Veranstaltungen wie die „kleine JHV“ im Herbst nahmen ebenfalls Druck heraus. Die Hausaufgaben wurden gemacht. Das goutierte das Gros der Mitglieder.

Rot-Weiss Essen: Fans lassen sich nicht blenden

Was folgt daraus? Die zentrale Lehre, die Botschaft der Wochen seit Juni muss folgende sein: Gerade in diesem hochemotionalen Verein ist es immens wichtig, transparent zu handeln und offen zu kommunizieren. Mitglieder/Fans von RWE lassen sich nicht blenden, sie tragen vieles mit – wenn man sie mitnimmt.

Hier gibt es alle News und Hintergründe zu Rot-Weiss Essen.