Essen. Drittligist Rot-Weiss Essen präsentiert seinen Mitgliedern schockierende Zahlen. Das wirft viele Fragen auf. Ein Kommentar zur RWE-JHV.
Mein lieber Herr Gesangsverein: So viel „Hafenstraße“ war schon lange nicht mehr bei einer Jahreshauptversammlung von Rot-Weiss Essen. Eine Jahres-Fehlbilanz, die manch einem den Kitt aus der Brille rieseln ließ, eine sportliche Bilanz, die sich nicht schönreden ließ, ein angriffslustiger Aufsichtsratschef, der sich mutig in den Gegenwind stellte und am Ende das geordnete Chaos, weil die Entlastung des Aufsichtsrats und des Vorstands nicht mehr ordnungsgemäß durchgeführt werden konnte. Darüber hinaus ein überaus aufgeheiztes „Publikum“, das sich beim überstürzten Ende mit „Uhlig-Raus“-Rufen verabschiedete.
Rot-Weiss Essen: Marcus Uhlig übernahm die volle Verantwortung
Der Reihe nach: Nachdem Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig in der Jahresbilanz 2022 einen Fehlbetrag von 3,6 Millionen Euro schwarz auf weiß an die Wand warf, war der Tag eigentlich nicht mehr zu retten. Handelte es sich tatsächlich um den Verein, der vor nicht allzu langer Zeit an derselben Stätte lauthals verkündete, bei Rot-Weiss würde nur noch das Geld ausgegeben, das man auch eingenommen hätte?
Rot-Weiss Essen: Die Chronik einer denkwürdigen JHV
Dass der RWE-Boss Marcus Uhlig dafür im selben Atemzug die „volle Verantwortung“ übernahm, klingt gut, aber was heißt das genau? Machen wir uns nichts vor: In einem normalen Wirtschaftsunternehmen hätte es der Geschäftsführer nicht mal mehr bis zur Aktionärsversammlung geschafft. So bleiben Fragen über Fragen. Gab es beim Neu-Profiklub kein Alarm-System im Controlling, als sich dieser negative Fehlbetrag auftürmte? Was wäre eigentlich passiert, wäre Sascha Peljhan, der neue „Herrscher über die Finanzen“, nicht schon im Frühjahr tiefer in die Bücher gestiegen? Wie sähe es dann mit der Lizenzierung durch den DFB aus?
Die fünfeinhalbstündige (!) Versammlung warf in dieser Hinsicht mehr Fragen auf, als die handelnden Personen beantworten konnten, vielleicht auch wollten. Das Mehr an „Kommunikation und Transparenz“, was sich der Verein auf die Fahnen geschrieben hat, wurde eigentlich konterkariert.
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Und eine große Chance wurde auch vertan: Trainer Christoph Dabrowski, der bei einem Teil der Fans immer noch im Gegenwind steht, und dem der Vorsitzende in der Versammlung in der Außenwirkung eine gewisse „Grundarroganz“ bescheinigte, hätte mit seinem persönlichen Erscheinen bei den Mitgliedern einiges gerade rücken können, doch diese Chance wurde vertan. Es gab schon Versammlungen, da erschien der ganze Spielertross nebst Trainerteam.
Rot-Weiss Essen will sich professioneller aufstellen
Der Verein müsse sich in allen Bereichen viel professioneller aufstellen und besser werden, betont der Vorsitzende seit einigen Wochen immer wieder. Am Sonntag lieferte er den besten Beweis für die Dringlichkeit.
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