Essen. Turbulente JHV bei Rot-Weiss Essen: schlechte Zahlen, miese Stimmung, abruptes Ende. Die wichtigsten RWE-Aussagen - der Tag zum Nachlesen.

Als Marcus Uhlig die Bühne betrat, kündigte er einen langen Bericht an. Und tatsächlich, Rot-Weiss Essens Vorstandsvorsitzender hatte einiges zu erzählen bei der Jahreshauptversammlung an diesem Sonntag, und die Nachricht des Tages überbrachte er um 12.22 Uhr: RWE hat das Jahr 2022 mit einem Minus von rund 3,6 Millionen Euro abgeschlossen. Das Ergebnis nannte Uhlig „eine Katastrophe“ – der Klub hatte eigentlich mit einem Minus von 410.000 Euro geplant.

Es gebe Gründe für diese gewaltige Fehlkalkulation, diese führte der 52-Jährige dann auf. Ein geplanter Sonderbetrag (700.000 Euro) – eine Spende für das Nachwuchsleistungszentrum, die vorher fest zugesagt worden sei – wurde nicht überwiesen. Der Verein hat also eine hohe Geldsumme in seine Planungen einberechnet, über die er noch gar nicht verfügte.

Rot-Weiss Essen: Peljhan übernimmt wichtige Rolle

Zudem sorgte, und das war keine Überraschung, die Insolvenz des vormaligen Hauptsponsors „Harfid“ für Probleme. RWE musste nach dem „Harfid“-Aus Forderungen gegenüber Dritten begleichen. Teurer als geplant sei das Personal gewesen. „Wir haben unsere Planwerte um 800.000 Euro verfehlt. Erhöhte Kosten im Kader, Aufstiegs- und Leistungsprämien, Kosten aus dem NLZ, die wir aus dem Sonderbetrag bestreiten wollten, haben sich zu diesem Betrag aufsummiert“, sagte Uhlig. Und es gab weitere Kosten, der „alternativlose“ Teil-Umzug der Geschäftsstelle aus dem Stadion beispielsweise, und 65.000 Euro Strafgelder an den DFB.

Die News zur JHV von Rot-Weiss Essen

„Zur Wahrheit gehört, dass wir selbst nicht gut waren und Fehler gemacht haben – einige“, sagte Uhlig selbstkritisch. Er fügte an, die Verantwortung für das dicke Minus zu übernehmen, ohne diese Aussage zu präzisieren. RWE hat zumindest die Lehren daraus gezogen, die Buchhaltung neu aufgestellt, Planungsprozesse optimiert und präzisiert sowie ein zusätzliches internes Controlling aufgesetzt. Daran sei Sascha Peljhan maßgeblich beteiligt gewesen – ein Name, der am Sonntag häufiger fiel.

Peljhan ist vor wenigen Wochen zum Vorstand aufgestiegen, war schon vorher als Gönner in Erscheinung getreten. Wie bei der JHV deutlich wurde, ist sein Einfluss auf und im Verein nicht hoch genug einzuschätzen. Er hat RWE nicht nur strategisch, sondern auch finanziell weiter-, ja aus der Patsche geholfen. So hat Peljhan das Geld, das von „Harfid“ ausstand, eins zu eins übernommen.

RWE-Vorstand bald vierköpfig

Dr. André Helf, der Aufsichtsratsvorsitzende von Rot-Weiss, verglich Peljhan gar mit Vereinspatron Georg Melches und kündigte an, dass der Vorstand künftig aus vier Personen bestehen soll: Uhlig wird weiter den Vorsitz innehaben, Peljhan weiterhin ehrenamtlich die Bereiche Finanzen, EDV, Infrastruktur, Digitalisierung verantworten, zusätzlich soll ein Vertriebs- und ein Sportvorstand kommen.

Helf begann seine Rede kurz nach der 15-minütigen Mittagspause, und die war dringend nötig: Die Stimmung hatte sich längst aufgeheizt, denn die Zahlen schockierten viele Mitglieder. Der Bericht von Sportdirektor Christian Flüthmann, der die zurückliegende Spielzeit bewertete und über Trainer Christoph Dabrowski sprach, war zudem für manch ein anwesendes Mitglied zu dünn. Was bei der viertägigen Saisonanalyse besprochen wurde, das blieb weitgehend offen.

Und so hatte sich längst etwas hochgeschaukelt, als Helf zu seinem Bericht ansetzte. Die Ziele habe die Mannschaft erreicht, aber nicht alles sei gut gelaufen. Fehleinschätzungen bei Spielern und Potenzialen; Akteure, die nicht geliefert hätten. „Es ist eine Performance, die für uns absolut nicht ausreichend ist, da sind wir uns vollkommen klar“, so Helf, der für die Zukunft von jedem einzelnen „absolut professionelles Verhalten“ einfordert: „Wir erwarten von allen Beteiligten, dass sie ihre Regionalliga-Attitüden ablegen und den nächsten Schritt gehen.“

Zwischenrufe und Pöbeleien

Folgend redete Helf, dessen Aufsichtsrat die Aufgabe hat, den Vorstand zu kontrollieren, weniger über das dicke Minus vor der Bilanzsumme, sondern über Teile der Fanszene, einige Aktive waren vor Ort. Er zählte auf: RWE-Fans überfallen einen eigenen Fanbus vor den Augen der Mannschaft, Überfalle auf Schalke-Fans, Beleidigungen gegen Verantwortliche, rassistische Beleidigungen gegen Spieler, „Trainer raus“-Rufe vor und während eines Spiels, Strafen in Höhe von 65.000 Euro. „Das, was von manchen Personen in der vergangenen Saison abgeliefert wurde, ist der absolute Gipfel der Unmöglichkeit“, wurde Helf deutlich.

Rot-Weiss Essen: Die JHV im Live-Ticker zum Nachlesen

RWE: Der JHV-Ticker

RWE JHV

Seine Rede: immer wieder unterbrochen von Zwischenrufen und Anfeindungen von teilnehmenden Mitgliedern, die offensichtlich zur aktiven Szene gehören. „Wir müssen aufhören, uns selbst Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wir haben kein Problem mit Kritik, wenn sie sachlich ist. Aber Beleidigungen und Strafen wegen Pyrotechnik wollen wir nicht mehr“, betonte Helf. So etwas trage zu einem großen Image-Schaden bei.

Aufgeheizt war die Stimmung nun, man erkannte eine Grüppchenbildung in der Messe-Halle. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Veranstaltung fand ein bemerkenswertes und unschönes Ende.

Rot-Weiss Essen: Abstimmung wird nicht zu Ende geführt

Die Abstimmung um die Entlastung des Aufsichtsrates musste abgebrochen werden – sie wurde per Handzeichen durchgeführt, die Handmeldungen wurden wiederum per Hand von der Bühne gezählt. Einige Anwesende hielten das Ergebnis deshalb für nicht aussagekräftig, 498 stimmberechtigte Mitglieder waren da.

Weil es keine Möglichkeit gab, die Wahl digital oder per Stimmzettel durchzuführen, einigte sich die Versammlung darauf, die Entlastung zu vertagen. Sie soll dann bei einer Sonder-Jahreshauptversammlung, spätestens im Herbst, nachgeholt werden.

Auf nette Schlussworte konnte getrost verzichtet werden, kurz darauf war nach knapp fünfeinhalb Stunden Schluss. Vom Finanziellen über das Sportliche bis hin zu Konflikten unter verschiedensten Akteuren im Mikrokosmos Rot-Weiss Essen – da hat sich etwas zusammengebraut.

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