Essen. Selten war ein Spiel so aufgeladen: Rot-Weiss Essen führt, geht in Rückstand, gleicht aus – ein verrücktes 2:2. Eine Einordnung der Ereignisse.
Der Trainer, der beim Gang zur Bank auf ein großes „Dabrowski raus“-Banner blickt. Cedric Harenbrock, der abzieht und dann vor Freude schreit. Ron Berlinski, der ein Grinsen auf dem blutüberströmten Gesicht hat, als er in die Kabine läuft. José-Enrique Rios Alonso, der ein Monster-Tackling bejubelt wie ein Tor. Fabian Greilinger, der den Gästeblock toben und die rund 16.000 RWE-Fans schweigen lässt.
Das Spiel zwischen Rot-Weiss Essen und 1860 München hat Bilder gemalt, die im Kopf bleiben.
So auch in der 81. Minute: Jakob Golz umarmt den völlig frustrierten Sandro Plechaty und flüstert ihm etwas zu. Die Sechziger hatten gerade das 2:1 erzielt. Plechaty war zu weit weg vom Torschützen Greilinger.
Rot-Weiss Essens Golz: „Wir mussten alles reinwerfen“
„Ich bin zu ihm gegangen und habe ihm gesagt, dass das blöd gelaufen ist, wir aber in den letzten zehn Minuten alles reinwerfen müssen“, erzählt Torwart Golz. Und ja, tatsächlich, die eine Chance bekommt RWE noch, in der fünften Minute der Nachspielzeit. Simon Engelmann trifft zum Ausgleich, dreht sich zur West, streckt seine Faust nach oben, wohlwissend, dass er gerade seinen Legendenstatus gestählt hat.
Brennpunkte bei Rot-Weiss Essen:
- RWE-Kommentar: Zumindest die Spieler lassen Dabrowski nicht hängen.
- Fans von Rot-Weiss Essen bei Dabrowski gespalten: Das sagt der Trainer.
- Rot-Weiss Essen: Die Noten zum 2:2 gegen 1860.
Selten war eine Partie von Rot-Weiss Essen in dieser Saison so aufgeladen. Welche Reaktion zeigt die Mannschaft auf das unbegreifliche 0:2 in Meppen? Wie steht es um Trainer Christoph Dabrowski? Was kommt von den Rängen? Und wird er endlich klappen, der Klassenerhalt?
Eins nach dem anderen. Rot-Weiss Essen steigerte sich, zeigte vor allem in der ersten Halbzeit einen viel besseren Auftritt als in Meppen, doch spätestens nach dem Münchner Ausgleich (65. Minute) ging lange nichts mehr. Rund um die Personalie Dabrowski ereignete sich Bemerkenswertes: Ultras aus dem harten Kern hatten Schals angefertigt und „Dabrowski raus“ draufgesprüht.
Mit ihrer Forderung, den Trainer schnellstmöglich zu entlassen, waren sie weitgehend allein. Pfiffe setzte es aus vielen Bereichen des Stadions als Reaktion auf die Rauswurf-Rufe. Für Kopfschütteln sorgten auch geschmacklose Banner auf der West – der Protest von Teilen der aktiven Szene stieß also nicht auf breite Zustimmung, im Gegenteil: Die Mehrheit zog nicht mit und hatte kein Verständnis für die Rufe während der 90 Minuten. Fest steht: Die rot-weisse Anhängerschaft ist gespalten. Es bleibt spannend.
Rot-Weiss Essen hat in Halle den nächsten Matchball
Das gilt auch fürs Sportliche. Der Klassenerhalt ist trotz des Remis noch nicht durch. Beim Halleschen FC kann es an diesem Samstag soweit sein. Ein Punkt und Essen ist weiterhin Drittligist. Eine Niederlage und ein Sieg des VfB Oldenburg, dann käme es zum Showdown am letzten Spieltag. Jakob Golz möchte das unbedingt verhindern. „In den Auswärtsspielen haben wir zuletzt nicht so viele Punkte geholt. Das wollen wir besser machen“, sagt der Torwart.
Feiern wollte er das Unentschieden nicht. „Die Ausgangslage ist gut, aber im Fußball habe ich schon alles gesehen. Unsere erste Halbzeit war super. Wir haben völlig verdient 1:0 geführt.“ In Durchgang zwei musste Golz sein Team mehrfach retten, wieder mal. Wohl kein anderer Rot-Weisser hat sich in dieser Saison so stark entwickelt wie der 24-Jährige.
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Chancen, das erlösende 2:0 nachzulegen, hatten seine Vorderleute. „Wenn man die Konter besser ausspielt, können wir das Spiel entscheiden“, hadert Golz. Das klappte nicht, und so stand es nach 81 Minuten auf einmal 1:2. „Wir haben zwei dumme Gegentore bekommen, die dürfen so nie fallen, das war viel zu einfach.“
Vor dem zweiten versuchte er, Plechaty vor Greilinger zu warnen. „Ich rufe, dass hinter ihm einer ist, ich glaube, er stoppt etwas ab, weil er den Ball klären will“, beschreibt Golz die Szene. „Eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, dass wir noch einen kriegen. Das 1:2 war ein Nackenschlag.“
Krimi in den letzten Minuten
Mit dem Gegentor bricht eine hochkritische Phase im Spiel an. Auf der West packt die aktive Szene ihre Fahnen ein. Viele Fans hoffen noch, die Zeit rennt und rennt davon, Nervosität macht sich breit, die Anspannung ist zu greifen. Christoph Dabrowski schaut mit verschränkten Armen auf den Rasen und was er sieht, das kann man wahrlich nicht als Schlussoffensive betiteln.
Die fünfte Minute der Nachspielzeit läuft schon, als Isaiah Young diese Flanke in die Mitte schlägt, Jasper Verlaat fälscht den Ball ab. Simon Engelmann köpft, Verlaat klärt mit einer spektakulären Grätsche – ist der Ball vor oder hinter der Linie? Nach Sekunden, die sich wie Stunden anfühlen, gibt der Schiedsrichter den Treffer, und Jakob Golz sprintet los, übers ganze Spielfeld zu seinen Mitspielern.
Noch so ein Bild, das bleibt.
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