Essen. Elf Gegentore in drei Spielen: Bei Rot-Weiss Essen gibt es viele Baustellen. Was dem Aufsteiger nach dem Drittliga-Start alles Sorgen bereitet.

Viktoria-Trainer Olaf Janßen nahm zur Pressekonferenz mit einem breiten Grinsen Platz – und das lag nicht nur am 4:1-Sieg. „Hat sich ja ein bisschen was verändert hier“, sagte er und lachte. Ja, eigentlich so ziemlich alles. Denn als Janßen noch Sportlicher Leiter und später Interimstrainer bei Rot-Weiss Essen war, war seine Arbeitsstätte schon von weitem am Geruch zu erkennen, dafür sorgten die sanitären Anlagen im Georg-Melches-Stadion.

Sarkastisch hätte man erwidern können: Die äußeren Umstände mögen sich geändert haben, aber die Frusterlebnisse wie zu Janßens RWE-Zeiten, die sind dem Verein treu geblieben.

Rot-Weiss Essen: „Haben viel Lehrgeld bezahlt“

Die Aufstiegseuphorie wollte man in Essen mitnehmen, die Wucht der Westkurve in der neuen Liga in die Waagschale werfen, manche träumten gar schon von einer „Heimmacht“ an der Hafenstraße. Mit 2:9-Toren nach zwei Spielen daheim deutet sich eher eine gewisse Machtlosigkeit an.

Brennpunkte zum RWE-Spiel gegen Köln:

„Ich habe das Gefühl, dass wir sehr viel Lehrgeld bezahlen“, meinte RWE-Trainer Christoph Dabrowski anschließend. Wenn man nicht persönlich anwesend gewesen wäre, dann hätte man sich die Frage gestellt: Ist das wirklich live - oder spult ein Avatar nur die Sätze von vor zehn Tagen als Wiederholung ab? Ist es noch Lehrgeld, oder zahlt die willige RWE-Fangemeinde an den Eingängen bereits Schmerzensgeld für die Darbietungen, die danach folgen?

Brutal bekommen die Rot-Weissen momentan den Spiegel vorgehalten, an welchen Ecken und Enden es immer noch nicht passt und ruckelt.

Rot-Weiss Essen: Nur Ennali und Eisfeld machen auf sich aufmerksam

Ja, die ersten 20 Minuten waren ansehnlich, angeführt vom jugendlich-unbekümmerten Esprit eines Lawrence Ennali und der gewaltigen Schusskraft eines Thomas Eisfeld - aber wo waren die anderen?

Hauptmanko dieser Elf scheint neben zuweilen fehlendem Tempospiel vor allem die Schnelligkeit „im Kopf“ zu sein. Festzumachen vor allem an Kapitän Daniel Heber, der in der ungewohnten Umgebung jetzt immer einen Schritt zu spät zu kommen scheint, abzulesen am Strafstoß kurz vor der Pause: Philipp war vorbei, dann kam erst das lange Bein von Heber - dumm gelaufen. Wobei es noch ärger hätte kommen können, wenn der Schiedsrichter auch noch Rot (letzter Mann?) gezückt hätte.

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Es hat schon eine gewisse Tragik, dass ausgerechnet die beiden Felsen, auf denen Rot-Weiss seine „Aufstiegskirche“ errichtet hat, der Musik in der neuen Liga meilenweit hinterherlaufen. Neben Heber ist in erster Linie Isi Young zu nennen. Ist nach seinem US-Urlaub wirklich nicht sein Zwillingsbruder nach „good old Germany“ zurückkehrt? Ist das der leichtfüßige Stürmer, der in der Regionalliga die Massen verzückt hatte und nach dem letzten Spiel auf Händen durchs Stadion getragen wurde?

Christoph Dabrowski hat noch kein Pflichtspiel als Trainer von Rot-Weiss Essen gewonnen.
Christoph Dabrowski hat noch kein Pflichtspiel als Trainer von Rot-Weiss Essen gewonnen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Viktoria Köln sollte nicht als Beispiel für RWE herhalten

Gut, das System hat sich verändert und die Räume sind für den Flitzer enger geworden, aber dass Young nur noch in Erscheinung tritt, wenn er bei eigenen Ecken letzter Mann spielen darf, ist schon augenfällig. Dem 24-Jährigen fehlt es mittlerweile in jedem Zweikampf an Selbstvertrauen, er ist zur Zeit ein Schatten seiner selbst.

„Nach dem Rückstand haben wir 15, 20 Minuten gebraucht, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Das kann man sich in der Liga nicht erlauben“, mokierte sich Dabrowski. Aber ist es nicht auch Aufgabe des Trainers, hier von außen auf die Mannschaft einzuwirken, um für den „Hallo-Wach“-Effekt zu sorgen? Hier wirkt der ehemalige Profi in manchen Phasen doch zu ruhig, fast hilflos. Kollege Janßen hatte in seiner Rede noch einen Trost parat: „In der letzten Saison hatten wir nach neun Spieltagen erst fünf Punkte – und wir haben es am Ende doch geschafft.“ Dies ist zur Nachahmung allerdings nur bedingt zu empfehlen.

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