Essen. Regionalligist Rot-Weiss Essen feierte zuletzt vor elf Jahren einen Aufstieg. Wieso der Titelgewinn damals etwas ganz Besonderes für RWE war.
Das Fieber steigt, extreme Spannung liegt in der Luft. Das Titelrennen in der Fußball-Regionalliga wird an diesem Samstag entschieden. Wer steigt in die Dritte Liga auf, Rot-Weiss Essen oder Preußen Münster? Das ist die Frage, die den Fans an die Nerven geht. Beide Rivalen sind auch nach 37 Spieltagen punktgleich, RWE hat immerhin den winzigen Vorteil in der Tordifferenz von zwei Treffern. Mehr Drama geht nicht.
Das Stadion an der Hafenstraße wird bis unters Dach voll sein, 16.500 Zuschauer werden zur Hafenstraße pilgern, um gegen RW Ahlen (Anstoß 14 Uhr) den Moment zu erleben, den sie sich seit Jahren herbeisehnen. Endlich aufsteigen, endlich raus aus dieser vermaledeiten “Schweineliga“.
Rot-Weiss Essen hofft auf die Rückkehr in den Profi-Fußball
Es wäre die Rückkehr in den Profifußball, wie man so schön sagt, auch wenn bei Rot-Weiss ja schon lange professionell gearbeitet wird. Aber geklappt hat es in alle den Jahren trotzdem nicht mit dem Sprung nach oben. Weil in der vergangenen Saison die U23 von Borussia Dortmund noch besser aufgestellt war. Immerhin spielten beim BVB Jungs wie Ansgar Knauff, der nun mit Eintracht Frankfurt im Europa-League-Finale steht.
Weitere Brennpunkte zum Regionalliga-Aufstiegsrennen:
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Davor wurde die Saison wegen Corona abgebrochen. RWE lag auf Rang drei, der Zweite SC Verl durfte hoch, weil Spitzenreiter Rödinghausen verzichtete. 2016 hatte der damalige Vorsitzende Michael Welling mit dem Drei-Jahres-Projekt „Hoch Drei“ nochmals die Anstrengungen forciert, doch die Rot-Weissen bekamen es einfach nicht hin.
Ehemaliger Trainer Waldemar Wrobel sieht sehr gute Voraussetzungen
„Nun ist es angerichtet“, sagt Waldemar Wrobel, sportlicher Berater im RWE-Aufsichtsrat. „Wir sind auf jeder Position besser besetzt als Ahlen, dazu ein volles Haus.“ Beste Voraussetzungen also, um am Abend die Korken knallen zu lassen. „Waldi“ Wrobel selbst ist der letzte Trainer, der mit RWE aufgestiegen ist, und das ist mittlerweile elf Jahre her. Und der 52-jährige Polizeibeamte wird ganz sicher nichts dagegen haben, wenn er diesen Status verliert, stolz kann er auf seinen Erfolg von damals für immer bleiben.
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„Das ist Geschichte, zwischen jetzt und damals liegen Welten, die Situation ist mit heute nicht zu vergleichen“, winkt Wrobel ab. Und es nutze ja auch nichts, ständig in Vergangenheit zu schmökern. Aber es war schon ein grandioser Coup, der ihm gemeinsam mit Damian Jamro, heute unter anderem für Organisation und Ticketing verantwortlich, gelang.
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Nach der Schmach gegen VfB Lübeck im Jahr 2008, als RWE am letzten Spieltag die Qualifikation für die 3. Liga mit einer 0:1-Heimniederlage gegen den Absteiger von der Ostsee verpasste, war Rot-Weiss Essen am Boden. Doch es kam noch schlimmer mit der Insolvenz 2010 und dem Verweis in die NRW-Liga. Fünftklassig - und die Vereinskasse ausgespült.
Rot-Weiss Essen wollte damals einfach nur Überleben
Wrobel und Jamro übernahmen. Sie bastelten selbst im gemeinsamen Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff an dem Kader, der nichts kosten durfte. Einfach nur überleben. Dann der Saisonstart. Alexander Thamm traf gegen den VfB Homberg vor beachtlichen 6250 Zuschauer an der Hafenstraße erst kurz vor Schluss zum 1:0 Sieg. Der Seitfallzieher wurde in der ARD-Sportschau zum Tor des Monats gekürt und ihm wird noch heute eine wahre Initialzündung nachgesagt. Mit Euphorie ging’s im Galopp durch die Saison und mit einem 2:1-Erfolg bei Sportfreunde Siegen war am 15. April 2011, dem 28. Spieltag, das schier Unmögliche geschafft.
Verdammt lang her. Man erkennt es beim Blick auf die Aufstellung von damals. Suat Tokat ist heute Trainer beim Oberligisten ETB Schwarz Weiss. Alex Thamm wird künftig beim Niederrhein-Oberligisten Teutonia St. Tönis arbeiten, Vincent Wagner hat als U19-Trainer bei RWE gerade eine historisch erfolgreiche Spielzeit erlebt und steht seit der Freistellung von Cheftrainer Christian Neidhart dem Teamchef Jörn Nowak als Assistent zur Seite.
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Und man sieht es aber auch an der Person von Timo Brauer, den man irgendwie immer noch als Jungspund vor Augen hat. Der Mann wird Ende Mai 32. Brauer, der Kapitän der Meistermannschaft, war es auch, der 2011 auch mit seinem Tor im Niederrheinpokal-Finale gegen SSVg. Velbert (1:0) das Double für RWE einstielte.
Ihm wird es schwerfallen, sich am letzten Spieltag noch einmal voll zu konzentrieren. „Im Gedanken werde ich in Essen sein“, sagt Brauer, der mit SF Lotte bereits abgestiegen ist. „Rot-Weiss Essen ist mein Verein, daraus habe ich nie eine Hehl gemacht.“ Und irgendwie wird er sich am Samstag fern der Hafenstraße auf dem Laufenden halten, was in der Heimat abgeht. Wie so viele RWE-Fans, die keine Karte mehr ergattern konnten.