Essen. Auch der frühere Fußball-Bundesligist Rot-Weiss Essen kämpft in der Corona-Krise ums Überleben. Ein Interview mit RWE-Vorstand Marcus Uhlig.
Fußball-Regionalligst Rot-Weiss Essen trifft die Corona-Krise besonders hart. Mehr als 10.000 Zuschauer besuchen im Schnitt die Meisterschaftsspiele des Traditionsvereins in der vierten Liga. Auf die dadurch resultierenden hohen Einnahmen wird der Verein wohl lange verzichten müssen, denn an volle Stadion ist aktuell nicht zu denken.
Rot-Weiss Essens Chef Marcus Uhlig hat darüber im Interview mit dieser Redaktion gesprochen.
Marcus Uhlig, wie ist aktuell der Draht zu den Verbänden?
Wir haben einen guten Austausch, sowohl zu Vertretern des DFB als auch zum für unsere Regionalliga zuständigen westdeutschen Fußballverband, mit dem es zuletzt vor einer Woche eine große Telefon-Konferenz gab. Die nächste Telefon-Konferenz ist für den 22. April terminiert. Wir hoffen natürlich, dass wir dann erfahren, wie es weitergehen soll. Derzeit setzen wir uns mit zahlreichen Szenarien auseinander. Aktuell planen wir, weil wir es müssen, allerdings ohne wirklich planen zu können. Einfach eine ganz schwierige Phase. Aber das geht derzeit vielen Branchen genauso. Da müssen wir jetzt einfach durch.
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Wie bewerten Sie die Bemühungen der Verbände, eine Lösung für den Fußball zu finden?
Es gibt unheimlich viele Ideen, die sich auf den ersten Blick gut, plausibel und einfach anhören. Aber die Verbände haben eine Menge juristischer, statuarisch, terminlicher und wirtschaftlicher Fragestellungen zu bewerten, die kaum jemand auf den ersten Blick sieht. Es ist super schwierig, dies alles unter einen Hut zu bekommen, zumal immer noch niemand seriös den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie voraussagen kann.
Wie sähe denn die Wunsch-Lösung aus RWE-Sicht aus?
Wie jeder andere Klub, müssen wir natürlich unsere Interessen vertreten. Ich bin nicht so vermessen und sage, dass wir DIE eine Super-Lösung für den Fußball haben. Aber klar ist doch, dass unser Interesse dahin geht, dass unsere aussichtsreiche sportliche Position in der Liga und im Pokal definitiv berücksichtigt und bewertet werden muss im Rahmen einer sportlichen und wirtschaftlichen Kompensation.
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Wie ist das zu verstehen?
Es gibt ja theoretisch drei Möglichkeiten, wie es weitergeht: Geisterspiele, Saisonabbruch oder Saisonverlängerung bis – zum Beispiel – Jahresende, so dass im September oder Oktober die Spiele wieder vor Zuschauern ausgetragen werden können. Szenario 1 – also Geisterspiele – ist für uns keine Option. Das haben wir bereits mehrfach betont. Keine Einnahmen zu haben bei gleichzeitiger Rückkehr zu vollen Kosten und bleibendem Regress-Risiko durch Sponsoren und Dauerkarten-Inhabern, wäre in keiner Weise vertretbar für Vereine wie uns, Rot-Weiß Oberhausen, Alemannia Aachen und auch andere vergleichbare Regionalligisten wie Energie Cottbus, Lok Leipzig, Kickers Offenbach und viele weitere.
Was passiert bei einem Saisonabbruch?
Kommt es zu einem Saisonabbruch, müsste natürlich geregelt werden, wie man mit Auf- und Abstiegsfragen umgeht und mit dem Pokalwettbewerb. Hier habe ich bereits mehrfach betont, dass man dabei versuchen müsste, so wenige Vereine wie möglich zu bestrafen und möglichst vielen Vereinen die Chance geben, zukünftig Mehrerlöse zu erzielen. Das sagt sich einfach, ist aber natürlich mit zahlreichen statuarisch komplizierten Fragestellungen verbunden. Trotzdem werfe ich an dieser Stelle noch einmal das Wort „Liga-Reform“ in die Diskussion. Corona kann, muss und wird den Fußball zwangsläufig dazu bringen, ohne Tabus noch einmal neu zu denken. Zusammengefasst: Einen Saisonabbruch kann man herbeiführen, wenn dafür gesorgt wird, dass der sportliche Stand zum Zeitpunkt des Abbruchs bewertet bzw. honoriert wird.
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Wie bewerten Sie Szenario drei – also eine Verlängerung der Saison?
Eine mögliche Verlängerung der Saison über Monate – beispielsweise bis zum Jahresende - wird aktuell Verbands-übergreifend geprüft. Die FIFA beschäftigt sich – salopp gesprochen - damit, das Saisonend-Datum 30. Juni verschiebbar zu machen. Und der DFB arbeitet gerade an umfassenden Übergangs-Maßnahmen, wie zum Beispiel an der Möglichkeit, zeitliche Veränderungen für das Ende der Spielzeit 2019/2020 und den Beginn der Saison 2020/2021 vorzunehmen. Das hätte sicherlich den Vorteil, dass die Saison ordnungsgemäß zu Ende gespielt würde. Es wäre damit sicherlich das gerechteste Szenario. Zwei Fragen müssten beantwortet werden: Wie schaffen es die Vereine, über viele Monate zwar mit deutlich weniger Kosten, aber auch ohne nennenswerte neue Einnahmen bis dahin zu kommen? Und: wie bekommt man die Verknüpfung zur Dritten Liga hin, wenn diese einen anderen Weg nimmt und mittels Geisterspielen die Saison pünktlich im Sommer beendet.
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Zurück zur aktuellen Lage bei RWE: Wie entwickelt sich das virtuelle Heimspiel?
Sehr gut. Die Unterstützung der RWE-Gemeinde ist einfach überwältigend. Wir haben jetzt auch Corona-Helden-Tickets hinzugenommen, die gekauft werden können und anschließend vom Verein in Absprache mit der Stadt Essen an alle möglichen Menschen verteilt werden, die gerade in der aktuellen Corona-Krise tag-täglich einen ganz tollen Job machen. Diesen Menschen ist nicht oft genug zu danken, hier wollen wir möglichst vielen ein kleines „Dankeschön“ ermöglichen in Form eines Hafenstraßen-Besuchs, sobald wieder mit Zuschauern gespielt werden kann.
Die Bundesligisten können inzwischen wieder unter Auflagen trainieren. Ist das auch eine Option für RWE?
Natürlich. Wobei das keinesfalls als Rückkehr in den normalen Trainingsbetrieb zu sehen ist. Solch ein Training erfolgt unter engen Auflagen, u.a. auch der Abstandsregelung von zwei Metern. Es ist eher als Abwechslung im täglichen Individual-Training zu verstehen. Ich gehe davon aus, dass auch wir dieses Training nach den Ostertagen anbieten und in dosierter Form sowie unter recht strengen Bedingungen durchführen werden.