Essen. Der Vorsitzende von Rot-Weiss Essen hält einen Saisonabbruch wie Geisterspiele für die schlechteste Lösung. Verkauf von virtuellen Tickets boomt.
Das gute Wetter treibt offensichtlich den Umsatz: Stand Montag um 14.30 Uhr hatte Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen seit Ende vergangener Woche 4287 Stauder, 1756 Bratwürste sowie 1248 Steh- und 1033 Sitzplätze verkauft. Die „Stauder-Kommilitonen”, ein Dutzend Fans, haben gleich 99 Biere geordert. Und alles, ohne den Grill anzuschmeißen oder die Zapfanlage zu kühlen. Ganz virtuell. So etwas gibt es nur an der Hafenstraße 97a.
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Schon jetzt ist die Aktion des Viertligisten als Erfolg zu bezeichnen, als Lichtblick in trostlosen Fußballzeiten. Aber Marcus Uhlig hat ganz andere Ziele: „Das ist einfach überragend, aber wir wollen einmal das ganze Stadion (immerhin über 20.000 Plätze) mit der Aktion ausverkaufen”, so der RWE-Boss. Darum hatte sich der Verein etwas Zeit gelassen, andere waren mit „Geister-Tickets” vorgeprescht. „Wir wollten keine 08/15-Lösung, und wir haben noch weitere Projekte in der Pipeline, die zeitnah folgen werden. Wir wollen es mit diesem Projekt in den kommenden Wochen schaffen, die Hafenstraße auszuverkaufen. Und wenn wir das wirklich schaffen sollten, bauen wir die Hafenstraße virtuell aus,” verspricht der Visionär.
RWE-Boss ist momentan auf allen TV-Kanälen
Marcus Uhlig sieht man momentan auf allen TV-Kanälen: ARD, ZDF, ja auch der WDR und n-tv waren mit ihren Kamerateams da, in dieser Woche folgt noch Sky. Während einige schon wieder neidisch nach Essen schielen, benutzen andere wiederum den Vereinsboss als Gallionsfigur. Mediale Aufmerksamkeit für die Regionalliga, das kann nicht schaden. „Ich will der Regionalliga eine Stimme geben”, so Uhlig. Und RWE ist da eine erste Adresse: „Wir leben von vielen Zuschauern, von viel Trinken, viel Essen und viel Verkaufen”, umreißt er die prekäre Lage, weil alle Parameter zwangsweise auf Null heruntergefahren wurden in der realen Welt
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Dass Marcus Uhlig dabei ein wenig wie Peter Pan unterwegs ist, das weiß er selbst: „Für uns geht es in diesen Wochen, vielleicht Monaten, darum, die Kosten, wo es geht zu senken, und Einnahmen zu erzielen, wo eigentlich keine Einnahmen winken.” Momentan scheint es zu funktionieren.
Keine hohen Erwartungen an die Telefonkonferenz am Dienstag
Sportlich sieht es da zur Zeit noch ungewisser aus. Die Aktiven müssen laut Erlass ja bis zum 19. April zu Hause bleiben, „bis dahin geht gar nix.” Und für die Zeit danach ist Marcus Uhlig auch skeptisch. Zwar tagen Vereine wie Verbandsvertreter am Dienstag in einer Telefonkonferenz über das weitere Vorgehen, aber: „Momentan fehlt mir da die Fantasie, dass dabei irgendwas herauskommt”, bezweifelt er.
Auch, dass die Vierte Liga im Gleichschritt mit den Profiligen möglicherweise auf Geisterspiele zurückgreifen könnte, dem erteilt der RWE-Chef eine klare Absage: „Geisterspiele wie auch ein vorzeitiger Saisonabbruch würde viele Vereine nicht vor dem Aus bewahren.“ Die Aussage von RWO-Kollege Hajo Sommers, einen Saisonabbruch würde die Hälfte der Westvereine in der Regionalliga in die Insolvenz treiben, kann Uhlig nur unterschreiben: „Das ist so.“
Darum hofft er, dass es mit der Saison weiter gehe, notfalls auch über den 30. Juni hinaus. „Ich sehe für den Notfall nur die Lösung, die Saison bis zum Jahresende auszudehnen, dann beginnt die Saison 2020/21 eben erst im Januar/Februar.” Klingt utopisch, aber was ist in diesen Tagen eigentlich undenkbar? Und ganz hat der Amateurfußball die Hilfe Dritter noch nicht abgeschrieben, auch wenn manche Sozialromantiker immer noch Fußball als die schönste Nebensache der Welt betrachten. „Die Bundesregierung hat der Wirtschaft Hilfe versprochen - und wir sind eine Wirtschaftsbranche. Im DFB-Umfeld hängen 60.000 direkte Arbeitsplätze am Fußball”, nennt er auch die entsprechende Zahl.
Dramatische Lage auch bei den Bundesligisten
Keinen Illusionen gibt sich Marcus Uhlig hin, dass die Hilfe von innen kommen könnte, sprich: Profifußball rettet den eigenen Unterbau. Jeder habe so seine eigenen Probleme und kämpfe ums nackte Überleben. „Wenn die Saison abgebrochen wird, dann würde es für Vereine wiePaderborn, Bielefeld oder Augsburg dramatisch”, da ist sich der RWE-Vorsitzende sicher. So heißt es in den nächsten Tagen und Wochen durch den Nebel auf Sicht zu fahren.
Ganz hinten, am Ende des Tunnels, ist die kommende Saison nur noch schemenhaft zu erkennen. Aber die Planungen werden trotzdem voran getrieben. Stichwort Kaderplanung. „Unsere Planungen liegen nicht auf Eis, aber sie sind momentan wenig konkretisierbar. Nur die Planspiele, die werden voran getrieben.” Momentan aber zähle das Hier und Jetzt. Dann muss Marcus Uhlig auch schon wieder los, die virtuellen Bratwürste umdrehen...