Essen. Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen kommt erst nach den Umstellungen zur Pause richtig in Schwung. Gäste machen nur eine Hälfte lang Probleme.
Die Falle hat mal wieder zugeschnappt. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison, weshalb sich die Rot-Weiss-Fans auch irgendwie schon daran gewöhnt haben, ja förmlich darauf vertrauen, dass sich der Chef an der Linie irgendetwas einfallen lässt, wenn’s gerade mal nicht so rund läuft. Und wenn es dann am Ende wieder so eindrucksvoll funktioniert wie beim 4:1 (1:1)-Heimsieg gegen den Bonner SC, dann staunen sie am Ende doch immer wieder, wie sich die Dinge auf dem Rasen so entwickelt haben.
Die Regionalliga-Saison wird spannend
Ein One-Night-Stand an der Tabellenspitze und dann wieder hinten anstellen. So geht das schon seit ein paar Wochen in der Fußball-Regionalliga. Rot-Weiss Essen hat am Freitag vorgelegt, SV Rödinghausen gab einen Tag später die passende Antwort.
Die Rot-Weissen sind punktgleich mit dem Spitzenreiter Rödinghausen, haben zwar die schlechtere Tordifferenz, aber dafür den nicht unerheblichen Vorteil, ein Spiel weniger ausgetragen zu haben als der Konkurrent, der schon einmal verloren hat in dieser Saison.
Die Essener haben an diesem Wochenende vergeblich gehofft, dass der hartnäckige Widersacher aus Ostwestfalen beim BVB II patzen würde. Die Dortmunder werden ja auch als ambitioniert eingestuft, aber das 4:0 der Rödinghauser dort, das ist schon eine bemerkenswerte Ansage.
Hinter SVR und RWE folgt mit etwas Abstand der SC Verl, der am nächsten Sonntag zum Spitzenspiel an der Hafenstraße auflaufen wird. Es wird eine Prüfung für beiden Seiten, aber egal wie dieses Spitzenspiel enden wird, das Titelrennen wird sich ganz sicher nicht an diesem einen Tag entscheiden.
„Ich finde, die Liga ist sehr ausgeglichen. Die Spiele sind eng, Spaziergänge gibt es gegen keinen Gegner“, hat Essens Trainer Christian Titz vor der Partie gegen Bonn gesagt und durfte sich bestätigt fühlen, auch wenn seine Mannschaft spieltechnisch dem Gast überlegen war. „Das sind aber die Spiele, die du erst mal gewinnen musst.“ Exakt, so ist es.
Die Rot-Weissen mussten auch in den Partien gegen Außenseiter wie Homberg, Lippstadt oder Wattenscheid ordentlich investieren. Und daran wird sich nichts ändern. „Wir alle können uns auf eine spannende Saison und noch viele packende Spiele freuen“, ahnt Titz. Und liegt damit wohl - wie bei seinen Ein- und Auswechslungen bisher - goldrichtig. (von Rolf Hantel)
„Es gibt in dieser Liga keine Mannschaft, die du im Vorbeigehen schlagen kannst“, betonte RWE-Cheftrainer Christian Titz auch nach dem vierten Heimsieg in dieser Saison. So deutlich, wie sich das Ergebnis liest, wurde es aber erst in der Schlussviertelstunde, obwohl die Rheinländer unter Strich nur ganz wenige Einschussmöglichkeiten hatten. Aber man weiß ja nie, ob nicht mal der Zufall mitmischt.
Bonn war keineswegs nur leichte Beute
In Hälfte eins hatten die favorisierten Gastgeber durchaus ihre Probleme mit den Bonnern, die von manchen nach deren Blamage eine Woche zuvor gegen Aufsteiger Bergisch Gladbach (0:3) vielleicht vorschnell als leichte Beute abgestempelt worden waren. Aber Bonn war mutig, kämpfte und ergab sich keineswegs vor lauter Ehrfurcht.
„Wir haben in der ersten Halbzeit ein ganz hervorragendes Spiel gemacht“, lobte BSC-Trainer Thorsten Nehrbauer. Leidenschaftlich hätten sie gespielt, gut organisiert gegen den Ball gearbeitet, mit einem guten Umschaltspiel. Die Essener waren zwar spielerisch überlegen, hatten auch die eine oder andere Chance, aber so richtig zwingend wirkte das alles nicht.
Als Alexander Hahn aus kurzer Distanz zum 1:0 (27.) getroffen hatte, schien der Bann gebrochen. Doch Bonn kam nur drei Minuten später überraschend zum Ausgleich. „Kein Elfmeter“, beteuerte RWE-Verteidiger Daniel Heber später. Er sei lediglich zum Ball gegangen. Aber Marcel Kaiser fiel im Strafraum und der Schiedsrichter zeigte auf den Punkt. Von dort vollendete Kapitän Dario Schumacher souverän.
Verteidiger Daniel Heber bekommt Hauptrolle in diesem Spiel
Das 1:0 vorbereitet, den Ausgleich unfreiwillig eingeleitet und das 2:1 kurz nach dem Wechsel selbst erzielt: Daniel Heber, der für gewöhnlich ebenso unspektakulär wie effizient agiert, hatte an diesem Abend eine Art Hauptrolle bekommen.
Die Gäste hatten den Rot-Weissen in der Tat Probleme bereitet. Mutig ist gut, aber der Grat hin zum Übermut schmal. „In der Pause merkte ich schon eine gewisse Euphorie und Unruhe in der Kabine“, schilderte Trainer Nehrbauer. „Wir haben dann den elementaren Fehler gemacht, indem wir versuchten, mit RWE Fußball zu spielen.“ Dadurch habe sein Team die Ordnung und letztlich das Spiel verloren. Man sei da zu offen, zu naiv gewesen.
Wenn Christian Titz analysiert, klingt es immer ein bisschen nach Rasenschach. Natürlich hatte der RWE-Cheftrainer wieder eine Idee, wie man das Problem lösen könnte und reagierte, wie man es von ihm gewohnt ist. Nicht ganz so früh wie in den Spielen zuvor, aber zur Pause. Diesmal erwischte es den defensiven Führungsspieler Dennis Grote. Für ihn kam der physisch starke Mittelstürmer Hedon Selishta, der schon eine Woche zuvor in Lippstadt per Doppelpack die Entscheidung erzwungen hatte.
Am Ende war der Gegner müde gespielt und schachmatt
Die Idee war, die spielstarken Jan-Lucas Dorow und Amara Condé, der mit seiner geschmeidigen Technik stets eine Augenweide ist, auf die Halbpositionen zu setzen, worüber die Aktionen nun laufen sollten. Marco Kehl-Gomez wiederum, als zweikampfstarkes und griffiges Element, rückte auf die Sechser-Position. Das funktionierte.
Selistha hatte schnell die erste Doppelchance, erzwang die Ecke, die zum 2:1 durch Heber führte. Doch Sicherheit kehrte erst ein mit dem 3:1 durch Selishta selbst (76.). Bonn war offenbar auch durch das ständige Anlaufen müde gespielt, was die Konzentration beeinträchtigte. Nur Sekunden nach seiner Einwechslung erzielte Ayodele Adetual das Tor zum 4:1 (86.). Ihn hatten die Bonner überhaupt nicht auf dem Schirm. Aber RWE kann bekanntlich Qualität nachlegen. Schachmatt.