Essen. Der Last-Minute-Treffer von Kapitän Moritz Fritz zum 1:0 gegen Wegberg-Beeck befreite Spieler und Offizielle von RWE von einem großen Ballast.
Es ist noch einmal gut gegangen, der Spott der Regionalliga-Konkurrenz ist dem Fußball-Regionalligisten Rot-Weiss Essen erspart geblieben, weil Kapitän Moritz Fritz den Ball zwei Minuten vor dem Schlusspfiff ins Netz drosch zum 1:0-Sieg über das weiterhin punktlose Schlusslicht FC Wegberg-Beeck. Die Essener jubelten danach so ausgelassen, als hätten sie gerade etwas ganz Großes gewonnen. Alle, aber auch alle, Spieler, Trainerstab und Sportlicher Leiter, sprinteten spontan und völlig losgelöst zur Westtribüne, um diesen Last-Minute-Treffer zu feiern. Dabei brachte er doch auch nur drei Punkte.
Die gute Laune ist schon dahin
Nein, das hatten sich die Rot-Weissen doch ganz anders vorgestellt. Die Vorbereitung war klasse, weckte Euphorie und Lust auf guten Fußball. Die Jungs machten richtig Spaß. Und dann auch noch das grandiose DFB-Pokalspiel gegen Düsseldorf? Einem Zweitligisten hatte man die Stirn geboten, nur unglücklich verloren.
Aber schon nach fünf Spielen in der Regionalliga ist die gute Laune dahin. Wo ist die Aufbruchsstimmung, die das 9:1 über Erndtebrück versprühte? Man wollte diesen Sieg nicht überbewerten, aber viele dachten schon: „Jetzt rollen wir das Feld von hinten auf.“
Davon sind die Rot-Weissen offenbar noch ein Stück weit entfernt. In Wattenscheid sind sie nach dem 0:1 auseinander gebrochen und keiner weiß, warum. So ein Gegentor passiert. Dabei waren die Essener mit breiter Brust angereist. Möglicherweise haben die Jungs ja Probleme mit dem Druck, der an der Hafenstraße immer ein bisschen höher ist als anderswo in der Vierten Liga. Die unbändige Erleichterung nach dem 1:0 gegen Wegberg-Beeck deutet ebenfalls darauf hin.
Die RWE-Fans können ihre Mannschaft zum Sieg tragen, sie können aber auch gnadenlos kritisch sein. Und gegen Wegberg waren die Pfiffe berechtigt. Nur falsch ist es, schon wieder alles in Frage zu stellen. Nicht nach fünf Spielen. (Rolf Hantel)
Die aber brauchte der Gastgeber dringend, erst recht nach der jüngsten 0:3-Pleite in Wattenscheid. Schon ein Unentschieden gegen den Aufsteiger und krassen Außenseiter hätte wohl manchen Kritiker weiter befeuert und bei ihnen vor lauter Zorn Schnappatmung ausgelöst. So ist erst einmal die Erleichterung riesig und es blieb bei den allerdings berechtigten Pfiffen zur Pause. Man hielt es am Ende wie RWE-Trainer Jan Siewert und dessen Fazit: „Für ein 9:1 gibt es drei Punkte und für ein 1:0 gibt es drei Punkte.“
Doch bei aller Arithmetik muss man sich schon fragen, was da los war mit dem Gastgeber, der keine spielerischen Akzente setzen konnte und zuweilen hilfs-und ideenlos anrannte. Vojno Jesic verbaselte bereits nach vier Minuten die erste Chance, drei Minuten später scheiterte Marcel Platzek ebenfalls an Wegbergs Torhüter Patrick Nettekoven. Es schien eine klare Sache zu werden. Doch anders als in Wattenscheid, als die Essener überzeugend und überlegen starteten, wirkten sie in dieser Partie merkwürdig gehemmt und zurückhaltend.
RWE-Trainer Jan Siewert sprach von einem "unheimlich schwierigen Spiel"
„Es war ein unheimlich schwieriges Spiel“, sagte Siewert. Und klar, man sei erst einmal vorsichtig gewesen. Aber gerade durch diese Zurückhaltung machten sich die Rot-Weissen das Leben selbst schwer. Ohne Tempo und Geistesblitze war der gegnerische Abwehrblock nicht zu knacken. Und individuell lief auch nicht viel. Torschütze Moritz Fritz klagte später: „Ich habe selten eine Mannschaft gesehen, die so tief gestanden hat.“ FC-Trainer Friedel Henßel wiederum verteidigte diese Taktik. „Man mag uns vorwerfen, dass wir sehr tief gestanden und destruktiv gespielt haben. Aber das war nicht zu vermeiden.“ Und angesichts der 24 Gegentore in nur fünf Spielen irgendwie auch konsequent. Überrascht haben dürfte es die Essener jedenfalls nicht. Man kann davon ausgehen, dass sie auch darauf vorbereitet waren.Warum sie es nicht umsetzen konnten, das gilt es nun zu analysieren.
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Moritz Fritz fand immerhin doch noch die Lücke in dem Wegberger Bollwerk. „Ich hab’s gewusst, ehrlich, ich habe es gewusst“, beteuerte der Stimmungsretter und wollte damit wohl eher auf die Entschlossenheit verweisen, mit der man am Ende das Ergebnis erzwungen hatte. Und es sei ihm völlig egal, dass es nur ein 1:0 geworden sei und egal, gegen wen man gewonnen habe. In der gleichen Spur fuhr Innenverteidiger Richard Weber, der mit einem Kopfball die Vorarbeit zum Siegtreffer geleistet hatte: „Genau so einen Sieg haben wir gebraucht. Wir mussten auch einfach mal dreckig gewinnen. Ein 9:1 ist zwar schön, aber in unserer Situation, in der nicht alles klappt, war es unsere Aufgabe, drei Punkte zu holen.“
Natürlich war es ein verdienter Erfolg. „Wir hatten früh große Chancen durch Vojno Jesic und Marcel Platzek. Da muss meine Mannschaft sicherlich lernen, die Spiele schneller zu entscheiden“, sagte Siewert. „Wichtig war der Sieg auch für die Moral“, stellte er dann noch fest. War sie denn schon angeknackst? So früh in der Saison?
Ganz klar, es fehlte die Effektivität aus dem Spiel gegen Erndtebrück (9:1). Ein frühes Tor, und die Partie wäre natürlich ganz anders gelaufen. Allerdings allzu viele Chancen boten sich RWE nicht. Und das ist ein mindestens ebenso großes Manko.