Essen. Nach dem 0:3 bei Wattenscheid 09 ging man verzweifelt an die Ursachenforschung. RWE-Trainer Jan Siewert bekam auch noch die Leviten gelesen.

Als wäre der Fußballabend für ihn nicht schon schlimm genug verlaufen, bekam Trainer Jan Siewert von Rot-Weiss Essen nach der 0:3-Blamage in Wattenscheid auch noch die Leviten gelesen. Auf der sogenannten Pressekonferenz, die in der Regionalliga immer mehr zum trinkfreudigen Beisammensein von besonderen Freunden und Gönnern der jeweiligen Vereine verkommt, meinte ein Herr mit Wattenscheid-Schal sich direkt an Siewert wenden zu müssen: „Das erste Gegentor ist in der 20. Minute gefallen, da habt ihr noch genügend Zeit gehabt, das Spiel zu drehen. Da würde ich mir als Trainer mal Gedanken machen!“ Toller Vorschlag, darauf wäre der RWE-Coach vermutlich nicht alleine gekommen. Der zog den Kopf ein und schwieg lieber.

Abgesehen von der hochnotpeinlichen Situation traf der „Fragesteller“ den Casus knacksus: Wieso kann es sein, dass eine Mannschaft die ersten 20 Minuten der Partie ihren Stempel aufdrückt und die Gastgeber kaum Luftholen lässt, und andererseits beim ersten Gegentor wie eine Pappkulisse in sich zusammen fällt? Siewert: „Da müssen wir ganz hart und kritisch mit uns ins Gericht gehen. Das ist dann indiskutabel. Weil: Wenn du ein Tor bekommst, dann ist das so. Das passiert in 100 Spielen, darüber werden wir sprechen müssen.“

Mal überdurchschnittliche U23-Elf - mal eine Pfadfindergruppe ohne Führungsperson

Die Schablone vom Auftakt gegen Wiedenbrück konnte wieder hervorgekramt werden. Die deklarierten „Hafenstraßenfußballer“ agieren an guten Tagen wie eine überdurchschnittliche U23-Elf, dann malen sie herrliche Bilder aufs Spielfeld. Doch wenn dann der erste Gegenwind weht und sogar noch ein Gegentor fällt, wirkt sie wie eine Pfadfindergruppe ohne Führungsperson und kommt ganz schnell vom rechten Weg ab.

Untermalt von individuellen Fehlern, die bei den Gegentoren ihre ganze Hilflosigkeit offenbaren. Philipp Zeiger, für den leicht angeschlagenen Richard Weber auf die Innenverteidiger-Position zurückgekehrt, personifiziert die ganze momentane Verunsicherung. In der letzten Saison noch als Leuchtturm aktiv, war er Mittwoch in der Lohrheide bei zwei von drei Gegentoren mit in der Verlosung. Beim 0:2 durch Burak Kaplan war er einer von vier Rot-Weissen, die dem Passgeber Mohammad eine Art Escortservice leisteten. Und beim 0:3 gegen den Ex-Essener Adrian Schneider ging er gar nicht mehr zum Ball hin, den dieser nach Ecke ungehindert einköpfen konnte.

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Da nutzte es auch wenig, dass Jan Siewert hinterher ein 8:4-Torchancenplus auflisten konnte. Wenn die sich ergebenen Möglichkeiten derart zaghaft finalisiert werden wie bei Vojno Jesic’ Alleingang in der 17. Minute, kann das Verhältnis ruhig noch krasser ausfallen, es ändert nichts am zählbaren Erfolg.

Der Blick nach oben in der Tabelle geht jetzt schon wieder nur mit einem Teleskop; ein Blick, den sich die Mannschaft momentan eh verbietet. „Wir schauen gar nicht nach oben, sondern wollen nur noch von Spiel zu Spiel punkten. Und wenn wir gegen Wegberg-Beeck auch die ersten fünf Chancen liegen lassen, das darf uns nicht beeinflussen“, mahnt Abwehrspieler Gino Windmüller, in Wattenscheid noch einer der Besten.

Intensive RWE-Trainingswoche bis zur nächsten Partie

Auch ihm schwante eine intensive Trainingswoche bis zur nächsten Partie am Freitag: „Das Selbstvertrauen, dass einen gar nichts aus der Bahn werfen kann, das müssen wir uns in der Trainingswoche wieder holen.“ Personal hierfür sei vorhanden: „Wir haben die Charaktere dafür, wir hauen jetzt einfach wieder alles raus. Hört sich nach dem 0:3 nur blöd an.“