Essen. Nach dem 1:1 gegen den SV Rödinghausen beklagte RWE vor allem, dass das Glück nicht hold ist. Aber auch die Leistung war allenfalls durchschnittlich.
Benjamin Baier, der Stratege im Mittelfeld beim Fußball-Regionalligisten Rot-Weiss Essen, ist ein Spieler mit Erfahrung. Und er sagte nach dem 1:1 (0:0) gegen SV Rödinghausen: „Sonntag war Sonntag und heute ist Freitag.“ Klingt trivial, hat aber einen wahren Kern. Die fantastische, aber unbelohnte Leistung im DFB-Pokal gegen Fortuna Düsseldorf knapp eine Woche hatte die Euphorie noch ein bisschen geschürt und viele Fans wohl in der Meinung bestärkt: „So, und jetzt rocken wir die Liga.“ Doch solche Quervergleiche sind meist müßig. Fünf Tage nach dem Pokalrausch folgte der Kater. RWE mühte sich gegen einen konzentrierten und kompakten Gegner, quälte sich, erreichte aber spielerisch bei weitem nicht das Niveau wie beim Pokalauftritt. Wohl auch deshalb war die Enttäuschung riesengroß.
Von Geduld und Gelassenheit
Spätestens jetzt weiß auch RWE-Trainer Jan Siewert, worauf er sich an der Hafenstraße eingelassen hat. Nach dem zweiten Liga-Heimspiel, nach der zweiten Partie ohne Heimsieg, war das Murren des zahlenden Publikums, untermalt von einigen deutlichen Pfiffen, nicht zu überhören. Und auch die Erklärung des Coaches, der an 120 kräftezehrende Pokalminuten dezent erinnerte, schmeckte nicht allen.
In der hoch gehandelten Meinungs-Börse der Fans, kurz Forum genannt, wurde schnell die Frage erörtert, warum der Trainer von seiner Rotation abgewichen ist und nicht fünf, sechs frische Kräfte gebracht habe. Man kann sicher sein, dieselben Fans hätten im Rotationsfall und einem möglichen Nicht-Erfolg die Frage gestellt, wieso man das begeisternde Team der Vorwoche schon wieder auseinander gerissen habe. Manchmal hat man als Trainer keine Chance.
Aber man sollte sich an der Hafenstraße auch davor hüten, zu schnell den Fußballgott ins Spiel zu bringen. Bei tatsächlich drei echten Torchancen in 90 Minuten kam man nicht von einer Verschwendung sprechen. So langsam ahnt aber auch der Letzte, was damit gemeint war, als wieder einmal „Geduld“ vor dieser Saison eingefordert wurde. Es heißt übersetzt das Einbeziehen so manchen Misserfolgs.
Da lebt es sich in Kray doch gemütlicher. 0:4-Packung in Lotte – und der Tenor lautet : Na und? Alles kann – nichts muss. Herrlich. (von Ralf Wilhelm)
Drei Heimspiele und noch kein Sieg. Das sieht nicht gut aus in der Tabelle, ist aber zu diesem Zeitpunkt der Saison nicht ganz so tragisch, weil das Tabellenbild noch arg flüchtig ist. Aber spätestens nach dem Auftritt gegen Rödinghausen müssen die Fans wohl einsehen, dass sie doch wieder mehr Geduld aufbringen müssen, als ihnen lieb ist. Trainer Jan Siewert weiß natürlich auch, dass sich nicht alles planen lässt, dass nicht alles auf Anhieb funktionieren muss, was man sich ausgedacht hat. Der Plan kann nicht immer aufgehen. Wichtig ist nur, dass man die entsprechenden Schlüsse daraus zieht.
Selbstverständlich gehört auch immer etwas Glück dazu, um erfolgreich zu sein. Auch das weiß Siewert. „Jetzt sitze ich zum dritten Mal hier und muss eigentlich fragen: Fußballgott, wo bist du?“ Oha, das hatte RWE doch schon mal. Marc Fascher war’s, der in der vergangenen Spielzeit nach der Winterpause übernatürliche Kräfte am Werk spürte und für die plötzlich Torflaute verantwortlich machte. Aber auch damals war es nur ein verzweifelter Versuch, Dinge zu erklären, die so nicht zu erklären sind.
Die Zahl der RWE-Möglichkeiten blieb überschaubar
Allerdings erweckte Jan Siewert mit diesem emotionalen Anflug den Eindruck, als hätte seine Mannschaft zuvor Chancen über Chancen gehabt und mindestens ebenso viel Pech. Dem war nicht so. Die Zahl der Möglichkeiten blieb ziemlich überschaubar. Und das gilt es zu analysieren. Mit etwas Abstand relativierte der Fußballlehrer dann auch: „Ach, was heißt schon Fußballgott. Worum es mir ging, war, dass uns in den ersten drei Spielen das Quäntchen Glück gefehlt hat. Trifft Moritz Fritz beim Elfmeter den Pfosten ein paar Zentimeter weiter rechts, führst du nach einer halben Stunde. Dann läuft das Spiel ganz anders.“ Aber Rödinghausen fehlten ein-, zweimal ebenfalls nur Zentimeter. So kurz vor dem Ende, als RWE-Keeper Robin Heller den Ball von Stefan Langemann zur Ecke lenkte (79,). Alles in allem war es also ein gerechtes Unentschieden, denn der Gast erledigte seine Aufgabe ordentlich. SVR-Trainer Marion Ermisch jedenfalls war zufrieden mit dem Punktgewinn und sah ein Spiel „auf hohem Niveau“, was natürlich die erwartungsfrohen Essener so nicht unterschreiben werden.
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„Wir haben keine gute erste Halbzeit gespielt“, räumte Jan Siewert ein. Man habe einfach zu wenig Tempo im Spiel gehabt. Und bei der ersten Analyse erinnerte er noch an die 120 Pokalminuten gegen Düsseldorf, die die Spieler in den Beinen hatten, und deutete damit die hohe physische und mentale Belastung an. Den Einwand, dass seine zuvor gefragten Fußballer das so nicht sehen, wischte Siewert vom Tisch. „Das ist ihr gutes Recht.“ Und es hörte sich in etwa an wie: „Ich aber sehe das so, basta.“
Mag ja sein, dass der aufreibende Pokalkampf Spuren hinterlassen hat, allerdings hatte es der Trainer selbst offenbar so nicht erwartet, denn sonst hätte er nicht gegen Rödinghausen dieselbe Startelf aufgeboten wie gegen Düsseldorf, sondern auf der einen oder anderen Position frische Kräfte gebracht. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.