Essen. Rot-Weiss Essen hat nun auch eine Spielphilosophie für die erste Mannschaft festgelegt. Sie soll auch das Anforderungsprofil des neuen Cheftrainers bestimmen.
Die Fans haben es nach dem Trainerwechsel gleich bemerkt und stellen zufrieden fest: „Endlich wird wieder mehr Fußball gespielt.“ Und das ist erst der Anfang. Bei Rot-Weiss Essen soll eine neue Spielkultur entstehen. Und die erste Saat haben die Trainer Markus Reiter und Jürgen Lucas, der aus beruflichen Gründen seinen Platz auf der Trainerbank schon wieder geräumt hat, bereits in den ersten drei Wochen ihrer Amtszeit ausgestreut. Und damit künftig ein für alle mal Klarheit herrscht. Seit Dienstag ist es schriftlich fixiert, wie der „Hafenstraßen-Fußball“ auszusehen hat.
Als Pep Guardiola beim FC Bayern anheuerte, war klar, dass der Spanier seine eigenen Vorstellungen von Fußball in München umsetzen wird. Und natürlich haben sie ihm dort die entsprechenden Spielertypen besorgt. Bei den „Roten“ soll das etwas anders laufen. Die haben nun für sich eine Philosophie, ein Konzept formuliert. Fußball, der das Essener Publikum begeistern und auf dessen Grundlage auch der künftige Cheftrainer ausgewählt werden soll. Es muss also ein Mann sein, der die Gegebenheiten beherzt und so gut wie möglich umsetzt.
Die Ideen sind nicht gänzlich neu
Unter Federführung von Andreas Winkler, dem Leiter der Nachwuchsabteilung, haben unter anderem Markus Reiter und A-Jugendcoach Jürgen Lucas an dem Plan mitgearbeitet. Teamarbeit, die sich auch in der Niederschrift spiegelt. In den Grundzügen sind die Ideen nicht neu, denn als die Essener beim DFB den Antrag gestellt haben, die Anlage an der Seumannstraße offiziell als Nachwuchsleistungszentrum anzuerkennen, mussten sie bereits eine Spielphilosophie mitliefern.
Gleichwohl sind die Anforderungen bei den „Großen“ doch etwas anders. „Wir sprechen hier auch erst einmal von der Regionalliga. Und da hat Rot-Weiss Essen grundsätzlich immer den Anspruch, ganz oben mitzuspielen“, erläutert Winkler. RWE will auf dem Rasen „aktiv“ sein wie Fans auf den Rängen. Aktiv in jeder Hinsicht: bei der Arbeit gegen den Ball, mit dem Ball, in der Laufarbeit. „Und da müssen sich alle elf Spieler angesprochen fühlen.“ Ballbesitz ist wichtig. „Das mag in Italien anders sein“, sagt Winkler und grinst. „Aber der Funken zu den Fans springt nur über, wenn wir selbst etwas dafür tun und um jeden Ball kämpfen.“ Technisch anspruchsvoll wäre wünschenswert. Kompakt, athletisch, schnell und aggressiv, so soll RWE-Fußball aussehen, gern auch mit Ecken und Kanten. Eben so wie man sich gerne an der Hafenstraße sieht. Mit Tempo über die Flügel, der unwiderstehliche Flankenlauf bis zur Grundlinie, das hat man in den letzten Jahren eher selten bei RWE gesehen. Nun soll es wieder ein prägendes Element werden.
Es bleibt Spielraum für Individualität
Soweit die graue Theorie. Aber Fußball lebt, funktioniert nun mal nicht nach Schnittmustern, das wissen sie natürlich auch an der Hafenstraße. Zu viele Faktoren tragen zum Gelingen oder Misslingen bei: der Gegner, die eigene Form, das Glück. Für taktische Finessen bleibt die Skala nach oben hin offen, ein starres Schema wäre öde und schnell durchschaut. Es bleibt genug Spielraum für Individualität.
Und eines wollen die Rot-Weissen damit auch erreichen. Die Konkurrenz soll irgendwann genau wissen, was sie an der Hafenstraße erwartet. Ein Spaziergang wird das auf jeden Fall nicht.