Duisburg. . Nach dem erneuten Abstieg aus der 2. Bundesliga arbeitet der Duisburger Verein an seiner Zukunft. Eine Analyse dessen, was falsch gelaufen ist.

Das Spiel beim HSV, das ein Knaller hätte werden können, ist zu einem Zombie-Treffen geworden. Am Sonntag zum Saisonfinale kicken zwei Untote gegeneinander. Die Hamburger, die am Sonntag den Aufstieg verspielten, gegen den Fußball-Zweitligisten MSV Duisburg, der nach dem Sonntag diesen Titel vorläufig verliert.

Derweil arbeitet der MSV an seiner Zukunft. Als Drittligist. Dass Präsident Ingo Wald sich vorsichtig optimistisch in Sachen Lizenz und schlagfertige Mannschaft gibt, macht ein bisschen Mut. So schnell darf man die Meidericher freilich nicht aus der Verantwortung lassen, was den aktuellen Totalschaden angeht. Ein bisschen darf man sich im Schlamm suhlen, das reinigt die Haut.

Traurig und enttäuscht: Ingo Wald.
Traurig und enttäuscht: Ingo Wald. © firo/Volker Nagraszus

Die Führungsriege des MSV hatte ihre Analyse bereits vor dem 3:4 gegen Heidenheim abgeschlossen und kam dabei zu der Entscheidung: Es soll mit Trainer Torsten Lieberknecht weitergehen. Die Bestandsaufnahme ergab, so Präsident Ingo Wald, einen „Abstieg mit Anlauf“. Was er auch sagte: „Ich glaube nicht, dass es einen Alleinschuldigen gibt. Da haben wir alle unsere Fehler gemacht. Das müssen wir korrigieren. Das fängt an bei den Offiziellen bis runter zum Platzwart.“ Dem ist deutlich zu widersprechen. Den Platzwart trifft keine Schuld, auch die Zeugwarte haben keine erkennbaren Fehler gemacht. Die Balljungen? Arbeiteten tadellos!

Für sich selbst hatte Wald bereits im Vorfeld feststellen lassen: Man habe den Trainer und Sportdirektor ein Stückweit allein gelassen. Auf die Frage, was das bedeute, sagte das erste Zebra in Meiderich: „Wir sollten uns wieder auf unsere Tugenden, Wertevorstellungen und Leitbilder verständigen, um das auch vorzugeben, was wir erwarten.“ Auch da will man die Stirn so tief in Falten legen, dass alles Botox der Welt die Haut keinesfalls glatt zieht. Liebe und Leidenschaft gehören zum Leitbild. Liebe zum Beruf und Leidenschaft bei der Arbeit ließ das Personal jedoch vermissen. Nur, dafür braucht es keinen Vorstand, um das zu vermitteln. Man muss ja auch niemandem sagen, dass er regelmäßig atmen soll. Trainer und Sportdirektor hätten das wissen und vermitteln müssen. Ohne dass man eine Aktennotiz verschickt oder ein Führungskräfte-Seminar anberaumt.

Winterneuzugang Havard Nielsen bekannte, dass die Mannschaft fußballerisch stark genug gewesen sei. Zweikampfstärke und Laufbereitschaft habe man wohl vermissen lassen. Das sind Tugenden, die ein Trainer einimpft. Seine Autorität stärkt ein Sportdirektor unmissverständlich. Lieberknecht gab in der Pressekonferenz zu, dass es ihm nicht gelungen sei, eine Mannschaft zu formen.

Lieberknecht muss wieder runter

Dabei war in dieser Saison nie verlangt, eine schwebende Jungfrau mit dem Buttermesser zu zersägen und wieder zusammenzusetzen. Er hätte nur die Heimspiele gegen Ingolstadt, Sandhausen und Bielefeld gewinnen müssen. Was so schwierig nicht war. Es wäre sogar vor Sonntag noch Hoffnung gewesen, wenn nur gegen Ingolstadt gewonnen worden wäre. Da aber setzte der Coach Joseph Baffoe ein. Der von Lieberknecht geholte Innenverteidiger, zuvor lange verletzt, war an drei Toren beteiligt. Der Coach ließ sich später in höchster Not gehen und musste dann auf die Tribüne, statt als cooler Stratege coachen zu können. Jetzt steigt er zum zweiten Mal in Folge als oberster Übungsleiter aus der 2. Liga ab.

Die Schadensbilanz stellt sich wie folgt dar: Bereits im Herbst war festzustellen, dass sich die Zebras schwer tun, ein Tor zu schießen. Sie machen es dem Gegner leicht, zu Treffern zu kommen, oder übernehmen die Nummer gleich tölpelhaft selbst. So war und so blieb es, die kurze Trockenzeit im November mal rausgerechnet. 30 Gegentore setzte es in der Hinrunde, 32 in Rückrunde. Das Heim-Weh konnte das Team nie überwinden.

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Kein Spieler steigerte sich im Saisonverlauf. John Verhoek traf nichts. Moritz Stoppelkamp fand nie zu einer Vollstrecker-Qualität aus dem Vorjahr zurück. Cauly Oliveira Souza wollte nicht von seiner Rolle Zirkuspferd lassen. Für den Abstiegskampf müsse eine Mannschaft intakt sein, gab der Trainer nach dem 1:3 gegen Dresden zu Protokoll. Es gelang ihm nicht, dem Wort irgendeine Tat folgen zu lassen.

15. Platz nach der Hinrunde

Der Präsident gab zu Protokoll, dass die Mannschaft möglicherweise am Anfang nicht ganz fit gewesen sei. Was haben die Jungs dann in den Winterferien gemacht? Der Trainer gab an, dass man eine ordentliche Rückrunde spiele. In Wahrheit schließt der MSV auch diese Tabelle als Schlusslicht ab. Nach der Hinrunde war man 15.

Der Coach liebte das taktische Experiment. Sie gingen schief. Er wechselte die Systeme. Ohne Erfolg. Er ließ – wie Gruev zu Beginn der vorigen Saison – gern Offensivpressing spielen. Mit dem gleichen Ergebnis: Über den Spielwitz lachten nur die Gegner. Lieberknecht hat gesagt, die Mannschaft lebt. Jetzt bekennt er: Da habe er vielleicht ein bisschen übertrieben. Was also nährt den Glauben, dass er in der 3. Liga wahrhaft gute Arbeit leistet? Möglicherweise die Finanznot. Neues Führungspersonal gibt der Etat unter Umständen nicht her.

Zerknirscht: Ivica Grlic.
Zerknirscht: Ivica Grlic. © firo/Volker Nagraszus

Zu dieser gehobenen Gehaltsklasse gehört auch der Sportdirektor. Er hat die Mannschaft zusammengestellt. Dass die Verstärkungen nicht funktionierten, da war vielleicht Pech dabei. Im November sagte Grlic freilich: Er würde jeden Spieler wieder holen. Das war kein Pech.

Chefetage griff nicht ein

Grlic hat den neuen Trainer geholt. Grlic hat ihm nicht verraten, dass die Truppe Vorwärtsverteidigung nicht kann. Grlic gelang es nicht, den Mannschaftsgeist zu stiften, dem Coach den Rücken frei zu halten. Während der Jahreshauptversammlung verbat sich Grlic jede Einmischung von außen und sprach sich für ein ruhiges „Weiter so“ aus. Man kläre die Probleme intern und lasse sich auf diesem Weg nicht beirren. Nur: Kein Problem wurde gelöst. Man ließ sich nicht beirren, in die falsche Richtung zu rennen. Man gebe keine Wasserstandsmeldungen ab, sagte er auch. Sein Präsident sagte am Sonntag, dass „wir ein Stück weit mehr kommunizieren und transparenter sein müssen“.

Was zur Chefetage führt: Sie griff nicht ein. Oder wenn sie eingriff, nicht wirklich wirksam. Dem Hinweis, dass man Fachleute eingestellt habe und ihnen nicht ins Handwerk pfuschen möchte, darf man gelten lassen. Wenn die Fachleute jedoch ihr Können schuldig bleiben, dem Platzwart eine Mitschuld zu geben, da spitzt man schon die Ohren. Zudem: Im Gespräch mit Sponsoren und mit potenziellen Dauerkarten-Käufern lässt sich auf diese Weise schlecht Enthusiasmus verbreiten. Das Motto: „Wir haben alles falsch gemacht, machen aber so weiter.“ Nicht ganz sicher, wie so was beim Kunden ankommt. Schließlich: Ingo Wald sagte: „Der Abstieg ist uns passiert.“ Das klingt nach Schicksal. Das war es nicht!