Mailand. . Angreifer Max Kruse gehört zu den Aufsteigern innerhalb der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Vor allem hat der Neuzugang von Borussia Mönchengladbach keine schlechten Erinnerungen an Italien. Bundestrainer Joachim Löw gerät fast ins Schwärmen.

Der rötliche Marmor glänzt im Schein der Kronleuchter. Goldene Türknäufe, goldene Bilderrahmen, goldene Verzierungen. Im Kellergeschoss des Hotels der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Mailand sitzen Oliver Bierhoff, der Teammanager, und Philipp Lahm, der Kapitän. Sie reden über ihre Erfahrungen mit Italien, dem Gegner am heutigen Freitagabend (20.45 Uhr, live im ZDF und in unserem Ticker).

„Das ist ein einschneidendes Spiel gewesen, eine bittere Niederlage“, sagt Bierhoff und meint das 1:4 in Florenz kurz vor der WM 2006 im eigenen Land. Ein Ergebnis, das Jürgen Klinsmann damals fast den Job als Bundestrainer gekostet hätte. Das Turnier endete dann immerhin im Halbfinale. Gegen Italien. Lahms Geschichte ist etwas jünger. „Wir können das nicht mehr gut machen, wir können nicht mehr in dieses Finale einziehen“, sagt der Münchner und meint das 1:2 im Halbfinale der EM 2012. „Das war eine bittere Niederlage.“

Kruses Ansehen im DFB-Team wächst täglich

Es ist wohl so, dass die deutsche Fußball-Geschichte voll von diesen Niederlagen gegen diese eine Nation ist, dass jeder Spieler jeder Generation seine schmerzvolle Anekdote erzählen könnte. Ein paar Etagen darüber im Hotel Principe de Savoia aber sitzt einer auf seinem Zimmer, der mit all diesen Dingen überhaupt nichts verbindet. Höchstens die Emotion des Zuschauers. Als Deutschland dem gefürchtetstem aller Gegner im Vorjahr unterlag, firmierte Max Kruse noch als Zweitligaspieler des FC St. Pauli. Nun ist er bei den beiden letzten und prominent besetzten Testspielen des Jahres morgen und vier Tage später gegen England wieder dabei im Kreis der Elite-Kicker. Und sein Ansehen wächst mit jedem Tag.

Der Maserati von Max Kruse ist auch in Tarnfarbe auffällig.
Der Maserati von Max Kruse ist auch in Tarnfarbe auffällig. © David Nienhaus

„Es ist eine Freude, ihn im Training zu sehen. Er ist in Bewegung und Abschluss wahnsinnig stark“, ist Bundestrainer Joachim Löw für seine Verhältnisse fast schon euphorisch. Er schätzt diesen Max Kruse, diesen Typen, der die frühen Jahre seiner Karriere weniger ernst nahm und deshalb Mittelmaß darstellte. Sein früherer Trainer Holger Stanislawski nannte Kruse mal einen „Vollpfosten“, sein Maserati in Camouflage-Optik brachte ihm den Spitznamen „Maserati-Max“ ein. Und den ersten Nominierungs-Anruf von Joachim Löw verpasste er, weil er noch schlief. So ist er, dieser Max Kruse.

Doch in den vergangenen ein, zwei Jahren ist es nur noch bergauf mit ihm und seiner Karriere gegangen. In etwas mehr als einem halben Jahr steht mit der WM in Brasilien das größtmögliche Fußball-Event an – und der Fußball-Filou mit den Flausen hat beste Chancen dabei zu sein, weil er der Nationalmannschaft etwas bietet, von dem sie wenig hat: Qualität im Bereich des Sturms.

Kruse ist raffiniert, ausgebufft und eiskalt vor dem Tor

In der vergangenen Saison schoss er Freiburg in den Europapokal, wurde im Sommer mit 25 Jahren Nationalspieler, wechselte nach Mönchengladbach. Bei der Borussia hat er nach zwölf Bundesliga-Spieltagen sieben Tore und sechs Serviceleistungen zu Buche stehen. Nur Dortmunds Star-Stürmer Robert Lewandowski kommt auf mehr Torbeteiligungen. Kruse ist raffiniert, ausgebufft, viel in Bewegung – und eiskalt vor dem Tor.

So einer kann nie schaden. Schon gar nicht, wenn Löw zugibt, dass er sich „ein bisschen Sorgen“ macht wegen der sich häufenden Verletzungen des mittlerweile 35 Jahre alten Haudegens Miroslav Klose. Er fehlt in Mailand und London ebenso wie Mario Gomez, der trotz aller Tore nicht der Stürmer ist, den sich Löw für seine Vorstellungen von Fußball schnitzen würde. Kruse schon eher.

Zwischen ihm und dem Münchner Mario Götze will Löw entscheiden, wenn es um die Vergabe des Sturmpostens geht. Aber Max Kruse wird während dieser eminent wichtigen Reise mindestens einmal vorspielen dürfen. Diese Entwicklung ist schon erstaunlich genug. Und wer weiß, vielleicht kann er helfen, den Herren Bierhoff und Lahm ein paar mehr positive Assoziationen mit Italien zu liefern.