Bremen. . Bei Borussia Mönchengladbach bröckelt jetzt sogar schon der Heldenstatus von Trainer Lucien Favre. Nach dem 0:4 in Bremen geht der Blick nach unten. “Druck, Druck, Druck brauchen wir. Das hat noch nicht jeder verstanden“, sagte Abwehrspieler Martin Stranzl.
Nach dem Untergang an der Weser spielten sich bei Borussia Mönchengladbach bemerkenswerte Szenen ab. Thorben Marx und Martin Stranzl mussten abrupt ihre Interviews beenden, sie wurden auf der Stelle in die Kabine zitiert. Denn dort hatte Trainer Lucien Favre einen Auftritt der anderen Art: Er hielt vor versammelter Mannschaft eine Kabinenpredigt, die einer Standpauke gleich kam. So etwas mache er eigentlich „nicht so häufig“, erklärte Favre später dazu, aber besondere Ereignisse erfordern eben besondere Maßnahmen. Und dieses 0:4 bei Werder Bremen, dies verlangte nach rascher Aufarbeitung.
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Als Favre vor mehr als anderthalb Jahren die Borussia übernahm, stand Gladbach mit dem Rücken zur Wand, war die Schießbude der Liga und trudelte dem Abstieg entgegen. Dann übernahm Favre die verunsicherte Mannschaft, arbeitete akribisch an den Grundtugenden des Fußballs, stabilisierte die Abwehr. Die Fohlen sicherten sich die Klasse und marschierten danach als beste Kontermannschaft der Liga vom Tabellenkeller bis nach Europa. Der Schweizer war der gefeierte Held.
Zweite hohe Auswärtsklatsche binnen drei Wochen für Gladbach
Nach dem 0:4 in Bremen, der zweiten hohen Auswärtsklatsche binnen drei Wochen nach dem 0:5 in Dortmund, bröckelt der Heldenstatus Favres. Und der Trainer wirkt ratlos ob dieser Zahlen: 16 Gegentore in acht Bundesligaspielen, dazu kommen acht auf internationalem Parkett. „Ich habe das Gefühl, wir wollen manchmal zu viel. Und dann vergessen wir, zu verteidigen“, lautet die erste schwache Analyse des 54-Jährigen, die keine Erklärung für die defensive Anfälligkeit der Gladbacher ist. Seiner Mannschaft wird er deutlichere Worte gesagt haben.
Liegt die Misere tatsächlich nur an den Abgängen von Marco Reus, Mittelfeldstratege Roman Neustädter und Abwehrchef Dante? Die Erklärung wäre zu einfach. Immerhin hat der Verein über 30 Millionen Euro locker gemacht, um sogar für die Champions League gerüstet zu sein. Dieses Spielermaterial soll nun nicht mal für die Bundesliga reichen? Die Aufarbeitung der Probleme muss woanders angesetzt werden. Sportdirektor Max Eberl sprach nach der Partie von „Kopflosigkeit“ und „Sorglosigkeit“ und prangerte an, es fehle an Kompaktheit und Defensivgeist. „Wenn einer einen Fehler macht, muss ein anderer da sein und ihm helfen.“ Teamgeist ist auch eine Komponente, die im Profifußball nicht zu unterschätzen ist.
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Genauso wie die Taktik, mit der eine Mannschaft auf den Platz geschickt wird. Das „System Reus“, eine 4-2-3-1-Aufstellung, funktioniert ohne den Weltklassespieler nicht mehr. Luuk de Jong ist zu langsam für dieses schnelle Umschaltspiel und hängt bisweilen völlig in der Luft. Der Fußballlehrer versuchte es mit einem 4-2-2-2, ohne dass sich ein passendes Stürmerpärchen finden wollte und setzte dann auf ein 4-2-2-1-1 mit einer hängenden Spitze. Eine Lösung hat der Coach noch nicht gefunden. „Nach vorn läuft es nicht, hinten sind wir zu anfällig. Wir müssen alle wissen, dass es gefährlich werden kann“, mahnte Kapitän Filip Daems nach der Lehrstunde an der Weser, in der Nils Petersen, Marko Arnautovic, Niclas Füllkrug und Zlatko Junuzovic für Werder trafen. Eberl ergänzte: „Wir sollten uns jetzt mit so vielen Gegentreffern, wie auch in Dortmund, nicht in eine Situation bringen, in der auch die Tordifferenz irgendwann einen Punkt bedeuten kann.“ Der Blick geht nach unten in Mönchengladbach. Abwehrspieler Martin Stranzl sagt: „Anscheinend ist es bei uns so, dass wir Druck, Druck, Druck brauchen – Feuer, Feuer, Feuer. Der ein oder andere hat es anscheinend noch immer nicht verstanden.“
Borussia empfängt am Donnerstag Olympique Marseille
Noch hat die Borussia 26 Spieltage Zeit, das zu verinnerlichen. Am Donnerstag (21.05 Uhr, live im DerWesten-Ticker) empfängt Gladbach Olympique Marseille, den Tabellenzweiten der französischen Ligue 1. Man müsse, so fordert Eberl, „alles in die Waagschale werfen, um das Spiel positiv zu gestalten“ – sonst droht die nächste Kabinenpredigt von Favre.