Mönchengladbach. Der Countdown zur Rückkehr auf die internationale Fußball-Bühne begann unspektakulär. Einer eingehenden Videoanalyse folgte am Montag das geheime Abschlusstraining. Gut gelaunt und entspannt trabten die Gladbacher durch den Borussia-Park. “Man merkt im Stadion sofort, dass es um viel geht. Wir haben auch lange darauf gewartet“, sagte Kapitän Filip Daems.
Dynamo Kiew ist am Dienstag für den ersten europäischen Auftritt nach 16 Jahren Abstinenz das passende Kaliber (20.45 Uhr/ZDF, Sky und im DerWesten-Ticker). Personelle Probleme gibt es keine, Trainer Lucien Favre hat alle Mann an Bord. "Wir haben keine Verletzten, alles ist perfekt, alle sind fit. Die Spieler werden bereit sein." Bereit für das große Geld, denn setzen sich die Gladbacher nach Hin- und Rückspiel (29. August) gegen die Ukrainer durch, winken Millionen-Einnahmen in der Königsklasse. Bei einem Aus bleibt als Trostpflaster "nur" die Europa League. Und Favre gab sich kämpferisch. "Wir wollen die Champions League erreichen, und das ist machbar", sagte er.
Bonhof: "Hätte nichts gegen eine Wiederholung"
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Der Gegner weckt Erinnerungen an die goldenen Zeiten. Büchsenwurf gegen Inter Mailand, fünf Final-Teilnahmen und zwei UEFA-Cup-Siege: Die Europapokal-Geschichte der Borussia ist eine ebenso lange wie erfolgreiche. 1977 trafen die Gladbacher auf dem Weg in das später verlorene Endspiel des Landesmeister-Pokals auf Dynamo Kiew. "Bei Kiew stand zu der Zeit beinahe die gesamte Nationalmannschaft der UdSSR im Aufgebot. Trotzdem war Kiew so etwas wie die große Unbekannte", sagte Hans-Jürgen Wittkamp, der beim 2:0 im Rückspiel den entscheidenden Treffer erzielte. Auch Borussias heutiger Vize-Präsident Rainer Bonhof traf gegen Kiew. "Das ist jetzt mehr als 35 Jahre her und das kann man nicht mehr mit heute vergleichen. Dennoch hätte ich natürlich nichts gegen eine Wiederholung des Ergebnisses von damals."
Damals ging das goldenen Gladbacher Jahrzehnt dem Ende entgegen. Am 29. Oktober 1996 verschwand die Borussia nach dem Aus beim AS Monaco für 5.774 Tage von der internationalen Bühne. Karl-Heinz Pflipsen war bei den letzten Auftritten dabei. "Für mich war jedes Spiel im Europapokal etwas Besonderes. Das fing an mit der Reise in ein anderes Land und endete mit dem Spiel gegen einen meist unbekannten Gegner, wo du vorher nicht genau wusstest, was dich erwartet", sagte Pflipsen.
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Der gebürtige Gladbacher bekam die 70er-Jahre als Steppke nur am Rand mit. "Aber es war die erfolgreichste Zeit des Vereins und Grundstock für das, was Borussia heute darstellt und bedeutet." Das Konzert der Großen würde im Gegensatz zur Europa League allein aus finanzieller Sicht acht Millionen Euro mehr an Einnahmen bedeuten. Dafür wurden auch 30 Millionen in neue Spieler investiert.
Kiew sieht "viel Disziplin und Qualität"
Und der erste Schritt in die neue Saison war zumindest auf dem Papier erfolgreich. Der Pokalsieg bei Drittligist Alemannia Aachen offenbarte Trainer Favre allerdings auch schonungslos, wo es noch hapert. Das sah auch Dynamos Co-Trainer Sergej Rebrow, der in Aachen spionierte. Rebrow sah zwar "viel Disziplin und Qualität", aber auch eine fahrlässige Chancenverwertung, ein noch nicht ausgefeiltes Spiel nach vorne, das nicht so zielstrebig und durchschlagskräftig war wie in der vergangenen Saison. Viel Zeit blieb nach Aachen nicht, um den Feinschliff anzugehen. Ob Favre personelle oder taktische Änderungen vornehmen wird, ließ er offen. "Das weiß ich noch nicht. Kiew ist ein anderes Kaliber als Aachen."
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Die Ukrainer steckten zehn Millionen Euro mehr als die Borussia in eine neue Mannschaft. Neben Niko Kranjcar (Kroatien) und Miguel Veloso (Portugal) kamen der Argentinier Marco Ruben und der Ex-Berliner Raffael. Im Angriff wirbeln Ideye Brown und Jungstar Andrej Jarmolenko. Die Generalprobe ging mit der zweiten Garde beim 0:1 bei Worskla Poltawa allerdings daneben. Für Dynamo war es im bereits achten Pflichtspiel die erste Niederlage. "Dynamo hat die größeren Investitionen getätigt, hat mehr internationale Erfahrung. Die Ukrainer sind länger dabei. Das ist ihr Vorteil", sagte der Gladbacher Abwehrspieler Martin Stranzl. (dapd)