Mönchengladbach. Gladbachs Marco Reus wechselt im Sommer von Borussia Mönchengladbach zu Borussia Dortmund. Der künftige BVB-Spieler spricht im Interview über seine Ziele mit der Gladbacher Borussia und über seine schwarz-gelbe Zukunft.

Herr Reus, sprechen wir kurz über Musik. Sie sind bei Borussia Mönchengladbach der Kabinen-DJ...

Marco Reus: Stimmt, ich leg gerne auf. Meistens mache ich schon morgens Musik, wenn die anderen verschlafen in der Kabine sitzen.

Was ist im Moment besonders angesagt?

Reus: Drake. Neues Album: Take care.

Redet der Trainer bei der Musik mit?

Reus: Nein, überhaupt nicht. Er kommt in die Kabine und lacht, wenn wir tanzen oder laut mitsingen. E r geht dann einfach schnurstracks durch und lacht sich eins.

Lucien Favre gilt als der Vater des Gladbacher Höhenflugs. Was ist er für ein Mensch?

Reus: Eigentlich ein lockerer Typ. Dann wieder weist er uns oft darauf hin, wie wichtig es ist, diszipliniert zu leben. Er spricht auch über Ernährung und darüber, dass wir unter der Woche richtig regenerieren und viel schlafen sollen. Sonst ist er einfach ein Klasse-Trainer. Und nicht nur, weil wir gerade so gut da stehen.

Als er kam, sah Gladbach wie ein sicherer Absteiger aus, jetzt ist die Mannschaft Zweiter. Wie macht er das?

Reus: Er hat zuerst die Defensive stabilisiert. Die ersten Wochen waren extrem, er hat praktisch bei jeder Situation das Training unterbrochen. Hier musste einer früher rausrücken, dort einer anders stehen. Das kommt dir zuerst wie eine Kleinigkeit vor. Bis die Situation im Spiel plötzlich genau so auf dich zukommt. Du weißt genau, was du machen musst. Und es funktioniert. Umso mehr glaubst du danach, was er sagt.

Man sagt, Lucien Favre arbeitet auch an kleinsten Details.

Reus: Ich habe ihn gefragt, was ich verbessern muss. Da hat er mir zum Beispiel gesagt, dass ich auf meine Fußstellung achten muss, damit der Gegenspieler nicht zu früh erkennt, auf welcher Seite ich an ihm vorbei gehen will.

Das macht Eindruck, oder?

Reus: Klar. Er hat ja selber Fußball gespielt. Was war er noch? Verteidiger?

Nein, offensiver Mittelfeldspieler. Wie Sie.

Reus: Dann muss er natürlich wissen, worüber er spricht.

Marco Reus schwärmt von Juan Arango 

Ihr Team ist der Aufsteiger der Saison. Man spricht von Borussia Barcelona, feiert die neuen Fohlen. Redet man in der Kabine darüber?

Reus: Wir machen uns einen Spaß daraus. Schon lustig, was über uns alles geschrieben wird.

Wieso lustig? Gladbach stand früher wie kein anderer Verein für besonders schönen Fußball. Am Wochenende haben sie nicht einfach 2:1 in Kaiserslautern gewonnen, sondern Juan Arango schießt einen so wunderschönen Treffer, dass man nur ins Schwärmen geraten kann. Alles nur Zufall?

Reus: Nee, das macht er einfach nur super. Der ist unfassbar. Ich habe noch nie einen Kicker mit so einer Schusstechnik gesehen. Den macht er noch zwei-, dreimal. Aber so etwas funktioniert nur, wenn du Selbstvertrauen hast. Wir spielen das momentan einfach gut. So wie Dortmund in der Meistersaison: nicht beeindrucken lassen, einfach das Ding durchziehen.

Dem BVB und Bayern traut man im Titelkampf alles zu. Bei Gladbach heißt es, das Team spielt am Limit.

Reus:
Dortmund spielt momentan wieder wie in der letzten Saison. In der Hinrunde hatten sie ihren Rhythmus noch nicht wieder gefunden, aber jetzt spielen sie gut, bekommen kaum Gegentore. So wie wir. Wir lassen uns gar nicht erst unter Druck setzen. Es geht nur von Spiel zu Spiel, so gibt uns das der Trainer auch vor.

Aber beide Borussias können das Double aus Meisterschaft und Pokal holen, oder?

Reus: Wir reden über Fußball, alles ist möglich. Das wissen wir auch. Aber innerhalb der Mannschaft redet keiner über Titel. Was soll ich denn jetzt zum Pokal groß sagen? Wir stehen im Halbfinale gegen Bayern München. Wenn ich jetzt erzählen würde, wir wollten nicht nach Berlin und das Ding nicht holen, das wäre doch blöd. Natürlich wollen wir. Aber ich weiß nicht, ob es klappt. Hat es schon mal einer geschafft, die Bayern dreimal in einer Saison zu schlagen?

Um bei Bayern und beim BVB zu bleiben: Sie wechseln im Sommer, das tut Gladbach natürlich weh. Die Fans feiern Sie trotzdem. Spielt es eine Rolle, dass Sie zumindest nicht nach München, sondern nach Dortmund gehen?

Reus: Das weiß ich nicht. Natürlich sind nicht alle einverstanden mit meiner Entscheidung. Aber Wechsel sind normal. Ich habe nur diese eine Karriere und ich muss entscheiden, was das Beste für mich ist. Jeder normale Arbeitnehmer, denke ich, würde das auch tun.

Auch ihr bester Kumpel im Team, Roman Neustädter, wechselt. Aber zu Schalke 04.

Reus: Ich hab ihm schon gesagt, wenn die Saison vorbei ist, bin ich nicht mehr sein Freund. Im Ernst: Ich freu mich auf die Spiele gegen ihn.

Marco Reus über Borussia Dortmund 

Sie wollten ursprünglich gar nichts zum BVB sagen. Aber verraten Sie uns, was für den Wechsel nach Dortmund sprach?

Reus: Ich weiß nicht, ob man in Gladbach in drei oder vier Jahren in der Champions League spielt. Aber das ist mein Ziel. Dafür sehe ich in Dortmund die deutlich bessere Perspektive. Genau diese Perspektive war entscheidend. Alles andere ist Gerede.

Belastet Sie, dass Sie der schwarz-gelben Borussia 17,1 Millionen Euro wert sind?

Reus: Ich habe als Kind davon geträumt, Profi zu werden. Damals habe ich mir vorgestellt, wie das wohl ist, wenn mal jemand viel Geld für mich bezahlt. Aber ich beschäftige mich nicht mit dieser Zahl. Ich weiß, dass das sehr sehr viel Geld ist. Aber deshalb spiele ich nicht Fußball. Ich spiele, weil ich die Kugel am Bein haben möchte.

Sie kosten nicht nur viel, Sie verdienen auch sehr viel. Hat sich dadurch etwas im Verhältnis zwischen Ihren Eltern, Ihren beiden Schwestern und Ihnen verändert?

Reus: Nee. So weit ich das mitbekomme und was mir mein Gefühl sagt: alles ist wie früher.

Haben Sie sich verändert?

Reus: Wegen des Geldes? Ich hoffe nicht. Ich habe mit meinen Freunden gesprochen, die sagen mir, ich sei immer noch der Typ von früher. Das ist auch eine Frage der Erziehung und des Respekts. Ich bilde mir doch nicht ein, ein besserer Mensch zu sein, weil jemand 17 Millionen bezahlt.

Kümmern Sie sich selbst um Ihr Geld?

Reus: Das mache ich alles gemeinsam mit meinen Eltern.

Marco Reus und eine Wette mit Kevin Großkreutz 

Was man mit Geld nicht bezahlen kann, sind Ehrenschulden. Gladbach hat im Vorjahr 1:4 gegen Dortmund verloren, Sie hatten damals mit Kevin Großkreutz um ein selbst gekochtes Abendessen gewettet, dass Ihr Team gewinnt. Hat’s geschmeckt?

Reus: Oh, das kommt noch. Wir hatten noch keine Zeit, aber in der nächsten Saison wird sich schon eine Gelegenheit ergeben. Bis dahin versuche ich, meine Kochkünste zu verbessern.

Wir reden aber nicht über Fischstäbchen, oder?

Reus: Was sollen die denn mit Kochen zu tun haben? Ich versuche schon, ein bisschen was anderes zu machen. Das Kochbuch liegt jedenfalls ständig aufgeschlagen in der Küche. Kevin soll sich überraschen lassen, ich kriege schon was Leckeres hin.

Stimmt es eigentlich, dass Sie in der Mannschaft den Spitznamen „Woody“ haben?

Reus: Oh je, wer hat den eigentlich erfunden? Das war mein alter Mitspieler Fabian Bäcker. Er, Roman Neustädter, Tony Jantschke und ich haben uns gegenseitig so blöde Namen verpasst. Aber ich verrate die anderen nicht.

Der Name geht zurück auf den Cartoon-Specht Woody Woodpecker. Angeblich wackeln Sie beim beim Sprint so ähnlich mit dem Kopf wie er?

Reus: Ich versuch ja schon, das zu ändern. Wer posaunt sowas eigentlich raus?

Noch was aus der Posaune: Bei Ihren Eltern soll eine Gladbach-Fahne im Garten hängen. Wird im Sommer auf schwarz-gelb umgeflaggt?

Reus: Woher wollen Sie denn das mit der Fahne schon wieder wissen?

Das spricht sich doch herum.

Reus: Es stimmt ja auch. Aber das ist doch Privatsache. Wie kommen die Leute an so etwas? Ich würde nie auf die Idee kommen, bei einem Fußballer zu Hause vorbei zu fahren und dann zu schauen, wie es bei dem im Garten aussieht. Das macht man nicht. Eltern, Familie, Freundin, Privatleben – das hat doch nichts mit Fußball zu tun.

Vielleicht ist das der Preis, den man heute zahlen muss. Stört es Sie sehr, dass Sie eine öffentliche Person geworden sind?

Reus: Nein, im Grunde nicht. Aber jeder hat seine Grenzen. Ich würde zum Beispiel kein Interview zusammen mit meiner Freundin geben. Oder mit ihr für eine Zeitung Fotos machen. Aber ich kann ja nicht verhindern, dass die Menschen Bilder mit dem Handy von uns schießen, wenn wir zusammen weg gehen. Natürlich nervt es manchmal, wenn du im Restaurant am Fenster sitzt und draußen drücken sich die Leute an der Scheibe die Nase platt. Aber das sind Ausnahmen, überwiegend ist alles okay. Ich kann mich nicht beklagen. Ich habe gelernt, in der Öffentlichkeit zu leben.