Mönchengladbach. Borussia Mönchengladbach erlebt eine traumhafte Saison. Die Mannschaft von Lucien Favre klettert in der Tabelle immer weiter nach oben. Gladbach hat schon Bayern München und Schalke geschlagen. Gelingt ein Triumph gegen den BVB kann das Team sogar Meister werden.
Dante lächelt die ganze Zeit. Fast wirkt es, als müsse er gleich loslachen. Lucien Favre tut zumeist erbost. Und Marco Reus wirkt fast schon ein wenig genervt. Denn es ist immer die gleiche Frage: Ist Borussia Mönchengladbach reif für den Titel? Ausgerechnet der Verein, der in der vergangenen Saison nur knapp dem Abstieg von der Schippe sprang und nun mit seiner Entwicklung hin zur Spitzenmannschaft Experten wie Fans gleichermaßen begeistert, mit einem Bollwerk in der Defensive und Feuerwerk im Angriff.
Lucien Favre krempelte Borussia Mönchengladbach um
"Wir denken nur von Spiel zu Spiel", lautet die Standardantwort des Tabellendritten. Prädestiniert für die Nominierung zur Floskel des Jahres. Die Konkurrenz kann es nicht mehr hören, denn die Worte klingen nach den zahlreichen fußballerischen Glanztaten der "Fohlen" fast wie Hohn. Sie waren schon am ersten Spieltag nach dem 1:0 bei Bayern München zu hören, und wurden auch nach dem 3:0 gegen Schalke 04 heruntergebetet. Inzwischen sind 21. Spieltage absolviert, der fünfmalige Meister siegt munter von Spiel zu Spiel und gilt vielen sogar als ernsthafter Titelkandidat. "Das ist keine Phrase, sondern unsere Philosophie, von der wir total überzeugt sind", sagte Manager Max Eberl.
Warum sollte der Klub auch davon abweichen und sich selbst unter Druck setzen? Warum sollten Dinge versprochen werden, die man nicht einhalten kann? Kontinuität haben sie angekündigt, eine ruhige Saison mit dem vorzeitigen Klassenverbleib - der stand praktisch schon nach der Hinrunde fest. Ruhe haben sie aufgrund des dauerhaften Höhenflugs zwar auch keine. Aber mit dem Trubel lässt sich in der Sonne des zuletzt so seltenen Erfolgs besser leben. Und schließlich hatten sie rund um den Borussia-Park lange keine Philosophie, die so erfolgreich gelebt wurde. Auf und neben dem Platz.
Und wenn man eins und eins zusammenzählen könne, dürfe man auch träumen, sagte Eberl. Wie in einem Traum kommen sie sich in Gladbach seit dem Amtsantritt von Trainer Lucien Favre vor zwölf Monaten vor. Der Schweizer krempelte den Klub um, lebt Perfektion und Detailverliebtheit vor. Der Nicht-Abstieg war der erste Streich, der zweite folgte mit besagtem Sieg in München. Und was dann kam, darauf waren sie in Mönchengladbach offenbar gar nicht vorbereitet. Zunächst sprach man von einer Momentaufnahme, dann von einem Lauf. Dieser Lauf will einfach nicht abreißen, und der Erfolg ist lange kein Zufall mehr. Schließlich ruft nicht nur die Tabelle die Borussia zur Spitzenmannschaft aus, auch spielerisch scheint die Mannschaft, die unverändert in die neue Saison ging, zu Höherem berufen.
Gladbachs Borussia auf den Spuren der Fohlenelf
"Borussia Barcelona", "Tiki-Taka" oder Fußball wie zu "Fohlen"-Zeiten, schwärmen die Kritiker. Aber ein Titelkandidat? "Wir stehen zurecht in diesen Tabellenregionen", sagt Eberl zwar inzwischen. Doch Favre spricht immer noch gerne von seiner "Überraschungsmannschaft". Zwar habe es sein Team verdient, dort oben zu stehen. Aber die Meisterschaft? Kein Gedanke. Heißt es offiziell. Intern wurden die Ziele längst angepasst, doch in der Öffentlichkeit wird es immer schwerer, tief zu stapeln. Schließlich ist Borussia Dortmund in der letzten Saison auch von Spiel zu Spiel zum Titel geeilt.
Wenn sie in Gladbach nur schweigend genießen, dann muss der "Kaiser" eben ein Machtwort sprechen. "Die Gladbacher werden es nicht zugeben, aber langsam werden sie sich an den Gedanken gewöhnen müssen. Wenn das so weitergeht, werden sie sich damit befassen müssen, dass sie ein ernsthaftes Wörtchen mitreden werden", sagte Franz Beckenbauer. Abwehrchef Dante versuchte dann auch, ernsthaft zu bleiben. Man dürfe ja nicht vergessen, wo man herkomme, beschwor Dante. Und schaffte es tatsächlich, nicht laut zu lachen. (dapd)