Mönchengladbach. . Im Spitzenspiel der Bundesliga zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Schalke 04 war nur eine Mannschaft spitze. Und ihr Trainer Lucien Favre sagt, dass das alles kein Zufall mehr ist.

Kurz vor Schluss war es für Stadionsprecher Torsten Knippertz an der Zeit, ein Späßchen zu machen. Weil Mönchengladbachs Trainer Lucien Favre den überragenden Angreifer Mike Hanke zwei Minuten vor der Zeit aus dem Spiel nahm, erklärte der Mann am Borussia-Mikrofon den über 54 000 Fans locker: „Mike muss jetzt wohl ans Telefon. Jogi Löw ist dran.“ So kleine Scherzchen steigern nochmal die Freude.

Es war eine Atmosphäre wie im Wunderland Borussia-Park: Der alt-ehrwürdige Bökelberg, wo man früher auf der Tribüne immer ein wenig die Schwingungen spüren konnte, wäre wohl in seinen Grundmauern erzittert. Hinreißend schön hatten die Gladbacher gespielt und einen Gegner wie Schalke 04 im Spitzenspiel geradezu klassisch zerlegt. 3:0 hieß es für die Borussia, und noch deutlicher als das Ergebnis war die Art, wie das alles zustande gekommen war. „Unglaublich und faszinierend“, fand es Mike Hanke, der im Zusammenspiel mit den Kollegen Filip Daems, Patrick Herrmann und Juan Arango selbst für den Höhepunkt dieser Veranstaltung gesorgt hatte: Nach einer Ansammlung von Doppelpässen stand Hanke in der 15. Minute frei vor dem Schalker Tor und erzielte das 2:0. „Das war perfekt“, lobte Lucien Favre – und wer den Fußball-Lehrer auch nur ein bisschen kennt, der weiß, dass er mit solchen Begriffen sehr sparsam umgeht. Gladbach im Wunderland.

Die Fans sangen schon nach einer guten halben Stunde und dem dritten Tor durch Juan Arango (32.) – das 1:0 hatte Marco Reus bereits nach zwei Minuten erzielt – höhnisch in Richtung Schalke: „Ihr könnt nach Hause fahren.“ Und sie hatten damit ganz einfach nur Recht. „Die erste Halbzeit war einer Schalker Mannschaft nicht würdig“, schimpfte Kapitän Benedikt Höwedes. Der Nationalspieler gebrauchte das Wort „kindisch“, um das Verhalten zu beschreiben.

Das Frappierende an diesem Abend war der Klassenunterschied, den die Gladbacher deutlich machten in einem Spiel zweier Mannschaften, die sich eigentlich auf Augenhöhe wähnen – hinter dem Favoriten-Duo aus Dortmund und München. Doch während Schalke auffällig oft in den Spitzenspielen deutlich unterlegen ist, zeigen die Gladbacher gerade hier ihre ganze Pracht: Sie schlugen zweimal Bayern, teilten sich mit Dortmund die Punkte und beherrschten auch Schalke nun zum zweiten Mal (nach dem Pokalspiel im Dezember).

Borussia Barcelona

Ihr Fußball ist nicht nur blitzschnell, sondern auch ungemein strukturiert und enorm effektiv. Findige Statistiker haben ermittelt, dass die Gladbacher derzeit die beste Abwehr Europas haben – vor einem Jahr hatten sie noch die Schießbude der Bundesliga. Und für das Offensivspiel wurde ein Vergleich kreiert, bei dem man nach Luft schnappen muss: Borussia Barcelona.

Beeindrucken lassen sie sich davon aber nicht sonderlich: Sie gehen einfach weiter ihren Weg des Außenseiters, der nur von Spiel zu Spiel denkt und dann am Ende schauen will, was dabei herauskommt – „damit sind wir bisher gut gefahren, und das werden wir so weiter machen“, verspricht Mike Hanke. Nur, dass mit all den Erfolgen natürlich das Selbstvertrauen gewachsen ist und sie schon ganz genau wissen, dass der dritte Tabellenplatz mit nur drei Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze und der Aussicht auf die Champions-League-Teilnahme kein Produkt des launigen Zufalls mehr ist.

„Wir sind eine Überraschungsmannschaft, aber die 43 Punkte sind verdient, weil wir einfach gut spielen“, erklärt Favre. Sportdirektor Max Eberl sagt das Gleiche, auch wenn er sich etwas mutiger anhört: „Wir haben Blut geleckt und stehen berechtigt in diesen Bereichen“ – da dürften die Fans auch mal träumen. Gladbach im Wunderland.

Als der Abend langsam zu Ende ging, stand einer vor der Tür, dessen Aufenthalt in diesem Wunderland zeitlich begrenzt ist: Roman Neustädter, der Gladbacher Mittelfeldspieler. In der kommenden Saison wechselt er zu Schalke – das ist schon abgemacht, und dazu steht er auch wie eine Eiche. Aber ein wenig wird ihm der Abschied, zu dem er sich selbst entschieden hat, wohl schwer fallen: „Es macht einfach Spaß, mit dieser Truppe zusammen zu spielen“, sagte er. Und das konnte man sehen.