Mönchengladbach. Tausende Kunststoff-Aufsteller schmücken jetzt in Gladbach die Ränge. Der Initiator des Projekts stellt klar: Die Figuren dienen als Mahnung.

Vor knapp zwei Monaten, an einem Sonntag, saß der Frust bei Ingo Müller tief. An jenem 15. März sollte Borussia Mönchengladbach bei Eintracht Frankfurt antreten, doch der 26. Bundesliga-Spieltag fiel wegen der Corona-Pandemie aus, nachdem Gladbach am 11. März vor leeren Rängen gegen den 1. FC Köln gespielt hatte. Und nun saß Ingo Müller, der sonst keine Partie der Fohlen im Stadion verpasst, mit seiner Frau in der Küche ihrer gemeinsamen Wohnung in Berlin. „Ich habe mich tierisch darüber aufgeregt, dass wir nicht zum Fußball können“, sagt er. Und sie habe ihm geraten: „Reg dich nicht so auf. Mach ein Foto vor dir. Häng es ins Stadion. Dann bist du dabei.“

Was als Spaß gemeint war, entwickelte sich bei Ingo Müller, einem Filmproduzenten, der auch für Borussia tätig ist, schnell zu einer konkreten Idee. „Ich habe eine Stunde darüber nachgedacht. Da ich aus dem Mediengeschäft komme, denke ich immer sehr visuell. So habe ich mir vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn da Fotos im Stadion zu sehen sind.“ Er telefonierte mit einem Freund, der Web-Entwickler ist, und schrieb ein Konzept für eine App. So entstand „seidabei-trotzdem.de“.

12.000 Pappkameraden bereits bestellt

Fans können über die Online-Anwendung Fotos von sich hochladen. Diese Bilder werden für einen Preis von 19 Euro – 1900 ist das Gründungsjahr der Borussia – auf Kunststoff gedruckt. Etwa 4500 Figuren sind rund zwei Wochen vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen bereits im Gladbacher Stadion auf den Tribünen montiert, mehr als 12.000 Bestellungen für die sogenannten Pappkameraden eingegangen.

Der Initiator des Projekts in Gladbach: Ingo Müller.
Der Initiator des Projekts in Gladbach: Ingo Müller. © Christian Verheyen

„Dass es so viele werden, damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Ingo Müller. „Das ist schon schräg.“ Auch Gladbachs Fanbeauftragter Thomas Weinmann, der das Projekt mit koordiniert, ist ziemlich überwältigt: „Wir sind überrannt worden. Das ist der blanke Wahnsinn. Die Resonanz ist sehr groß.“

Erlöse des Projekts werden gespendet

Das habe, so Ingo Müller, „vielleicht auch damit zu tun, dass alle Erlöse gespendet werden. Keiner bereichert sich daran. Ein paar Firmen werden schon unterstützt, damit sie ein bisschen Umsatz haben. Von den 19 Euro werden mindestens 6,50 Euro gespendet. Dann bleibt nicht mehr viel übrig für die Herstellungskosten und Mehrwertsteuer.“

Die Nordkurve ist bereits gut gefüllt. Hier haben nicht nur Gladbach-Fans ihre Doppelgänger – auch die Profis der Borussia finden sich hier wieder: Die Spieler und der gesamte Betreuer- und Trainerstab wurden auf der Tribüne verteilt.

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Die Figur von Arnd Zeigler, dem TV-Moderator und Stadionsprecher von Werder Bremen, hat dagegen ihren Platz im Gästeblock. Die Gladbacher Meistermannschaft von 1970 soll im Stadion einen besonders gut sichtbaren Platz unterhalb einer Loge erhalten.

Fans helfen im Borussia-Park

Der Borussia-Park füllt sich somit weiter. „Am Wochenende kommen aus der aktiven Fanszene 40 bis 50 Leute, die in Zweier-Trupps mithelfen, die Figuren anzubringen. Sie sind teilweise in Kurzarbeit und freuen sich, etwas zu tun“, berichtet Thomas Weinmann. Das Material, aus dem die Doppelgänger bestehen, sei „wetterfest und stabil. Die Figuren müssen schon etwas aushalten, wenn mal Regen oder auch ein Sturm kommt. Sie müssen zudem ordentlich befestigt sein.“ Wie lange Spiele ohne Zuschauer ausgetragen werden müssen, weiß ja auch Thomas Weinmann nicht.

Was ihm besonders wichtig ist: „Die Figuren sollen ein Symbol für das sein, was fehlt: die Fans.“ Und auch Ingo Müller betont: „Die Pappkameraden dienen als Mahnung, denn wir sind als Fanprojekt gegen Geisterspiele.“ Das Projekt drücke „die Stille aus, die im Stadion herrscht, trotz der vielen Gesichter, die zu sehen sind“.

Allerdings sei dabei auch an die Profis gedacht worden: „Ich habe mich in die Lage derer versetzt, die da auflaufen müssen: also die Spieler. Ich habe mit einigen gesprochen: Sie sind sehr glücklich, dass sie jetzt das Gefühl haben, wenigstens irgendwo hingucken zu können“, erklärt Ingo Müller. „Sie haben eine Orientierung und wissen, dass sie nicht alleine sind – trotz der Geisterspiele.“

Vor leeren Rängen wird Gladbach nun im Gegensatz zu anderen Klubs nicht spielen.