Mönchengladbach. 1995 gewann Trainer Bernd Krauss mit Gladbach den DFB-Pokal. Vor dem Spiel heute beim BVB spricht der gebürtige Dortmunder über beide Klubs.
Wenn einer die beiden Borussias kennt, dann ist es Bernd Krauss. Der gebürtige Dortmund hat sowohl für den BVB als auch Mönchengladbach gespielt sowie beide Klubs in der Bundesliga trainiert. Vor dem Pokalschlager der 2. Hauptrunde am Mittwoch (20.45 Uhr/ARD) schätzt der 62-Jährige die aktuelle Situation ein.
Herr Krauss, Sie holten 1995 mit Borussia Mönchengladbach den DFB-Pokal gegen Wolfsburg. Wie gut sind Ihre Erinnerungen?
Bernd Krauss: Das ist ja schon gefühlt 100 Jahre her (lacht). Aber die Erinnerungen an das Spiel und die Zeit danach sind sehr sehr gut.
Welche?
1992 hatten wir das Pokal-Endspiel gegen Hannover 96, einen Zweitligisten, verloren. Ich war Co-Trainer unter Jürgen Gelsdorf, hatte also drei Jahre später als Trainer in erster Linie die Aufgabe, den Spielern die Angst vorm Versagen zu nehmen. Wir hatten ja wieder einen Zweitligisten als Gegner. Also habe ich den Jungs gesagt: „Wir fahren hin, hauen die und weg - und fertig.“ Das klingt im Nachhinein vielleicht etwas forsch. Ich wollte damit nur sagen, dass wir als gute Bundesliga-Mannschaft in Normalform keine Probleme hätten haben dürfen, einen Zweitligisten zu schlagen.
Was ist Ihnen aus dieser Zeit besonders im Gedächtnis geblieben?
Von der Party in Berlin habe ich nicht besonders viel mitbekommen, da ich mich im Foyer des Mannschaftshotels mit Udo Lattek unterhalten habe. Irgendwann habe ich gesehen, dass Stefan Effenberg mit meiner Frau auf der Bühne stand, um die Feier in Schwung zu bringen. Zwischendurch war wohl die Luft raus.
Wie lief der Empfang ab?
Der war außergewöhnlich. Als wir mit dem Bus durch die Stadt gefahren sind, waren da so viele Menschen, dass ich mich gefragt habe, wo die wohl alle herkommen. So viele wohnten damals gar nicht in Mönchengladbach. Daran konnte man sehen, wie groß bei den Fans die Sehnsucht nach einem Titel war. Die großen 70er Jahre, von denen alle immer noch sprechen, lagen da ja auch schon lange zurück.
Ist diese Sehnsucht heute vorhanden?
Klar, der Pokalsieg ist nächstes Jahr 25 Jahre her. Es wird mal wieder Zeit für die Fans, die für den Verein so viel auf sich nehmen. Die lechzen natürlich nach einem Titel.
Schauen wir auf diese Saison: Ist Gladbach reif für einen Titel?
Aufgrund der mannschaftlichen Geschlossenheit und der Ruhe, die im Verein herrscht, würde ich das nicht ausschließen. Druck hat man zwar auch in Mönchengladbach, aber die Erwartungshaltung ist bei weitem nicht so groß wie beim FC Bayern oder in Dortmund. Im Augenblick ist die Situation, dass die Mannschaft Tabellenführer ist, eine schöne Momentaufnahme. Wenn die Borussia in die Champions League einziehen sollte, wäre das ein toller Erfolg. Sollte am Ende keine andere Mannschaft Deutscher Meister werden wollen, wehrt sich in Gladbach sicher niemand, den Titel zu holen.
Sehen Sie ein Problem darin, dass Mönchengladbach noch in allen drei Wettbewerben mitmischt?
Nein, der Kader ist gut aufgestellt, sie haben genug Spieler. Und obwohl der Europapokal bisher enttäuschend ist: Alle sollten die Situation so lange genießen, wie es geht.
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In der zweiten Pokal-Runde spielen die Fohlen gegen Dortmund. Vor anderthalb Wochen gab es bereits eine 0:1-Niederlage für Gladbach.
Ich denke, dass die Mannschaft jetzt genügend Selbstbewusstsein hat. Und in Dortmund ist derzeit nicht alles eitel Sonnenschein. Da ist der Druck entsprechend höher.
Sie dürften das Spiel mit besonderem Interesse verfolgen. Schließlich sind Sie gebürtiger Dortmunder, haben auch für den BVB gearbeitet. Welche Emotionen verbinden Sie mit Ihrer Zeit bei Borussia Dortmund?
Ich war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Und auch wenn ich beim BVB ganz bestimmt einige Fehler gemacht habe: Wir hatten immer zehn bis 13 Verletzte. Das hat die Arbeit ungemein erschwert. Auf der anderen Seite darf ich mich nicht beschweren: Ich hätte ja auch nein sagen können. Ich dachte damals, dass ich eine Mannschaft bekomme, in der ich nicht mehr viel verändern muss. Es kam halt anders.
Sie haben lediglich zwei Monate für den BVB gearbeitet. Leiden Sie mit Trainer Lucien Favre, der derzeit stark kritisiert wird?
Natürlich fühle ich da mit. Und ich kann die ganze permanente Diskussion in der Öffentlichkeit nicht verstehen. Man sollte die Leute einfach mal in Ruhe arbeiten lassen. Wenn es nicht klappt, dann trennt man sich eben. Aber es hilft niemandem, wenn der Trainer öffentlich so scharf kritisiert wird.
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Ist einem Ihrer beiden Ex-Vereine der Pokalsieg zuzutrauen?
Für eine Vorhersage ist es noch ein bisschen zu früh. Erstmal muss die nächste Runde überstanden werden. Und wer dann weiterkommt, braucht auf dem Weg zum Titel auch ein wenig Losglück. Wir hatten damals Schalke und Kaiserslautern zu Hause. Das Heimrecht hat uns in die Karten gespielt.
Wem würden Sie es mehr gönnen?
Vom Charakter her bin und bleibe ich einer aus dem Ruhrpott. Aber da ich in Gladbach wohne, hängt mein Herz an der heimischen Borussia.