Duisburg. . Der 2:1-Auftaktsieg gegen Aufsteiger Leipzig geriet für den FCR Duisburg am Sonntag zur Nebensache. Denn unmittelbar nach dem Abpfiff verkündete FCR-Urgestein Inka Grings ihren Abschied. Die Nationalspielerin ließ auch den Grund dafür durchblicken.
Es ist der Tag der Zahlen. Der Sitzplatz kostet immer noch elf Euro, und als der FCR 2001 Duisburg zum ersten Heimspiel der Frauenbundesliga nach der WM im eigenen Land anstößt, steht noch eine lange Schlange vor der Kasse. Am Ende sind 1870 Zuschauer im Homberger Stadion. Sie sehen einen 2:1-Sieg der Duisburger Fußballerinnen über Aufsteiger Lokomotive Leipzig und die beherrschenden Fragen wären eigentlich die, ob das nun der Boom nach der Weltmeisterschaft ist und wie lange er wohl hält. Wäre da nicht Inka Grings, die nach dem Spiel mit stockender Stimme von einem Zettel abliest, dass sie den FCR Duisburg verlässt. Sofort und offenbar einfach so.
Einfach so?
Nichts ist einfach an diesem Tag für Inka Grings, und nichts ist einfach an dieser Geschichte.
Sie hat gegen Leipzig nicht gespielt. Tatsächlich war sie ein paar Tage lang krank, aber wem wäre noch damit gedient, wenn Grings gegen den Aufsteiger aufläuft? Der FCR muss lernen, ohne die Nationalspielerin und beste Torjägerin der Bundesliga zurecht zu kommen, Grings kann kein Interesse daran haben, sich vor ihrem Wechsel zu verletzen.
Tausend Besucher mehr
Das Spiel ist gerade ein paar Minuten beendet, da ist die Kulisse von 1870 Zuschauern vergessen. Trotzdem, für die Frauen-Bundesliga ist das eine stattliche Zahl. Vor einem Jahr hatte der FCR im ersten Heimspiel 850 Zuschauer, das lag am Saisonende genau im Liga-Durchschnitt. Tausend Besucher mehr: Es ist ein Hoffnungsschimmer, immerhin.
Aber die Kulisse interessiert nach Spielschluss im Vip-Raum im ersten Stock der Haupttribüne niemanden mehr. Auch das 2:1 ist kein Thema, was nicht daran liegt, dass das Spiel so dürftig und der Erfolg mühsamer heraus gespielt war als erwartet. Die Sponsoren sind da, auch Oberbürgermeister Adolf Sauerland, im Stadion ausgebuht, hier mit freundlichem Applaus begrüßt, ist gekommen. Die Luft steht, als Grings von einem Blatt Papier abliest.
Was sie sagt, ist die offizielle und die inoffizielle Version in einem: Sie suche eine neue Herausforderung im Ausland, außerdem wolle sie noch einmal in der Champions League spielen. Sie sagt auch, dass sie dem Verein viel zu verdanken habe, auch die problemlose Auflösung des Vertrags. Thomas Hückels, der Vorsitzende, lächelt gequält.
Dann nennt Inka Grings einen einzigen Namen, den von Ex-Trainerin Martina Voss-Tecklenburg. Und damit ist sie bei der inoffiziellen Seite dieser Trennung, die Grings mit dem Satz zusammen fasst: „Es gab in der jüngsten Vergangenheit fragwürdige Vorkommnisse.“
Als Spielführerin abgesetzt
Was sie damit vor allem meint: Kurz vor Ende der vergangenen Saison hat der Verein Martina Voss-Tecklenburg als Trainerin beurlaubt. Grings hielt sich schon damals nicht mit Kritik zurück. Tatsächlich bekam es der Verein nach dieser Entscheidung mächtig um die Ohren, weil Voss-Tecklenburg, die inzwischen Erstligist Jena trainiert, schon im Vor-WM-Deutschland eines der wenigen unverwechselbaren Gesichter des Frauenfußballs war. In Duisburg war sie noch viel mehr als das.
Mit Nachfolger Marco Ketelaer, vorher Co-Trainer, kommt Grings ganz offenbar nicht zurecht. Umgekehrt scheint das Verhältnis auch nicht besser zu sein. Ketelaer setzte die 94-fache Nationalspielerin vor kurzem als Spielführerin ab und bestimmte Nationalverteidigerin Annike Krahn zu ihrer Nachfolgerin. Ketelaer begründete diesen Schritt auch gestern noch mit einem Verjüngungsprozess: „Der Wechsel des Kapitäns ist ein ganz normaler Vorgang.“ Den Grings angesichts der heiklen Konstellation ganz anders empfunden haben dürfte: als persönliche Kränkung.
Nun geht sie, nach 353 Toren in 271 Bundesliga-Spielen. Sie wird ins Ausland wechseln, die Gespräche laufen, im Moment haben der französische Meister Olympique Lyon und der russische Meister FC Rossiyanka aus der Nähe von Moskau offenbar die Nase vorn. Inka Grings wird dort sicherlich gutes Geld verdienen, mehr als in Duisburg. Trotzdem hat sie gestern mit den Tränen gekämpft. Sie verlässt ihren Verein nach 16 Jahren. Auch das ist eine Zahl des Tages.