Essen. Silvia Neid hat nach dem Viertelfinal-Aus bei der Frauen-WM erstmals einen großen Misserfolg zu verkraften. Zum Umsturz ihrer Bank wird das aber nicht führen. Die Bundestrainerin genießt die Rückendeckung von DFB-Präsident Theo Zwanziger. Davon abgesehen: Dem DFB fehlt eine Alternative.

Birgit Prinz, so viel hat Fußball-Deutschland während dieser Frauen-WM gelernt, trägt Privates nicht nach außen. Seit gestern weiß man immerhin, dass ihr Vater Stefan heißt. Stefan Prinz hat sich nämlich zu Beginn der letzten WM-Woche, die Titelverteidiger Deutschland vor dem Fernseher erleben wird, zu Wort gemeldet und den Rücktritt von Bundestrainerin Silvia Neid gefordert. Damit hat es Prinz senior bis in die Schlagzeilen geschafft, und schöner lässt sich nicht veranschaulichen, wie viel die Frauen beim Fußball immer noch von den Männern trennt. </p><p>Die Debatte über mögliche Fehler muss natürlich geführt werden, darüber zumindest sind sich alle einig, die Verantwortung tragen. Viel zu viel ist schließlich schief gelaufen bei dieser Heim-WM. Mit dem Aus im Viertelfinale ist die Seifenblase von der WM als Motor für den Frauenfußball geplatzt und Silvia Neid wird zum ersten Mal in ihrer Laufbahn angezählt.

Sie hatte es ihren Kritikern nach dem 0:1 gegen Japan leicht gemacht: Sie sprach von Enttäuschung und wirkte selbst nie so. Sie sprach von Fehlern und zeigte ausschließlich auf andere. Das Aus hat sie immer dort burschikos moderiert, wo man ein bisschen Selbstkritik erwartet hätte.

Doch die Kritik hat die 47-Jährige spürbar mitgenommen – selbst einen Rücktritt mag sie plötzlich nicht mehr ausschließen: „Ich brauche jetzt erst mal Abstand. Erst wenn ich in ein paar Wochen wieder im Alltag angekommen bin, werde ich mich fragen: Was will ich eigentlich?“, sagte Neid der „Bild“. „Mir war klar, dass jetzt eine Schuldige gesucht wird – und dass es in erster Linie immer die Trainerin ist.“

Erst recht für Vater Prinz. Er hat der Bundestrainerin vorgeworfen, seine Tochter fallen gelassen zu haben, und folgert: „Das ist für mich einer der Gründe, warum das Ganze kaputt gegangen ist.“ Drei Stunden später meldete sich seine Tochter zu Wort. Birgit Prinz pfiff ihren Vater sanft, aber deutlich zurück: Er sei halt ein emotionaler Mensch, liege aber inhaltlich falsch: „Es ist nicht richtig, jetzt einer Person die Schuld zu geben.“

Überhaupt fällt auf, wie sehr sich die Spielerinnen, von denen einige auch zwei Tage nach einem Aus, das einfach nicht vorgesehen war, wie paralysiert wirken, mit öffentlicher Kritik an Silvia Neid zurück halten. „Dass diese Debatte jetzt kommt, war jedem klar, der eins und eins zusammen zählen kann“, sagt Inka Grings. Intern, erklären andere übereinstimmend, habe es nie Probleme gegeben.

So kommt die Kritik bislang nur von außen. Bernd Schröder, Trainer des Meisters Turbine Potsdam, nutzt seit WM-Beginn jede Gelegenheit, mit dem von ihm ungeliebten Führungspersonal abzurechnen. Neu ist, dass auch DFB-Präsident Theo Zwanziger seinen Teil abbekommt, weil er vor der WM den Vertrag mit Neid bis 2016 verlängert hat. Das Papier, so Schröder, sei jetzt „die Buchstaben nicht wert“.

Der Bundestrainerin ist da ungewollt ein kleines Kunststück gelungen. Sie hat Schröder für einen Moment mit seinem ärgsten Widerpart versöhnt: Siegfried Dietrich ist Manager des ärgsten Konkurrenten 1. FFC Frankfurt. Schröder und Dietrich sind sonst herzhaft miteinander verfeindet. Die Trennlinie verläuft ungefähr hier: Schröder formt Stars, Dietrich kauft sie. „Bitter und enttäuschend“ sei das Ergebnis der WM, sagt Dietrich. Man muss wissen: Er berät ein knappes Drittel der Nationalelf, darunter Prinz.

Kandidatin Meinert

Wer will, kann Dietrich und Schröder also persönliche Motive unterstellen. Die müsste man bei der Duisburgerin Martina Voss-Tecklenburg, die 125 Mal für Deutschland gespielt hat und den Bundesligisten Jena trainiert, erst noch suchen. Auch sie verweist auf das schlechte Management einer übersteigerten Erwartungshaltung, auf Ratlosigkeit angesichts des großen Drucks.

Aber Voss-Tecklenburg geht weiter: „Es fehlt trotz aller individuellen Klasse eine Strategin auf dem Platz. Keine Spielerin war in der Lage, eine Partie zu lenken oder die anderen zu führen, wenn es nicht lief. Gegen Japan hat man nach 20 Minuten mal nicht 1:0 vorn gelegen, schon kam die Riesenverkrampfung.“ Birgit Prinz? „Man hätte sie gegen Japan gut gebrauchen können.“

An den Fakten ändert das alles nichts. Silvia Neid genießt die Rückendeckung des Verbands, sie gilt nach ihren Titeln bei der WM 2007 und der EM 2009 als unangreifbar. Davon abgesehen: Dem DFB fehlt eine Alternative. Ein Mann ist auf dem Trainerstuhl politisch nicht vermittelbar, bei den Frauen sind geeignete Kandidatinnen rar gesät. Maren Meinert, die die U19 und U20 coacht, gilt Insidern als Nachfolgerin. Eigentlich war der Stabwechsel erst für 2016 angedacht. Nur Silvia Neid selbst könnte diesen Termin nun vorziehen. </p>