Frankfurt/Main. Bundestrainerin Silvia Neid muss sich nach dem enttäuschenden WM-Aus der deutschen Fußballerinnen gegen Japan heftige Kritik gefallen lassen. Um ihren Job muss sie allerdings (noch) nicht fürchten, DFB-Präsident Zwanziger steht zu ihr.
Mit Tränen hatte Silvia Neid erst in ihrer Rolle als teilnahmslose Zuschauerin den Halbfinals gerechnet. Doch die scharfe Kritik nach dem WM-Aus der deutschen Fußballerinnen im Viertelfinale gegen Japan (0:1 n.V.) dürfte der Bundestrainerin nahe gegangen sein. Neid, lange vom Nimbus der Unbesiegbarkeit geschützt, werden Fehler in allen Bereichen vorgeworfen, nur die Treueschwüre des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger verhindern derzeit (noch) eine "Neid-Debatte".
"Sie ist die beste Trainerin, die wir haben können", sagte Zwanziger auch nach dem kläglichen Scheitern der Mission Titelverteidigung, obwohl selbst die Olympia-Qualifikation verspielt worden war. Eine andere Erklärung kann der Verbandsboss allerdings auch nicht abgeben, wenn er nicht selbst in die Kritik geraten will. Schließlich hat Zwanziger erst kurz vor WM-Beginn den ursprünglich bis 2013 laufenden Vertrag mit der Welt-Trainerin des Jahres, die vor der Niederlage gegen Japan noch nie bei einer WM- und EM-Endrunde verloren hatte, bis 2016 verlängert.
Neid-Vertrag soll den Verband angeblich 700.000 Euro im Jahr kosten
Die Unterschrift unter den Vertrag mit Neid, die wenige Wochen vor der WM noch Amtsmüdigkeit hatte erkennen lassen, soll den Verband angeblich 700.000 Euro pro Jahr kosten. Mittlerweile fragen sich nicht nur Dauer-Kritiker wie Potsdams Meistertrainer Bernd Schröder ("Der Vertrag ist nicht mal mehr die Buchstaben auf dem Papier wert"), ob dieses Geld gut angelegt ist.
Neid werden Fehler bei der Taktik, der WM-Vorbereitung, den Einwechslungen und der Menschenführung zur Last gelegt. Kritiker bezeichnen den Spielstil als antiquierten "Kick and Rush". Sie lassen kein gutes Haar an den WM-Lehrgängen, die sich über zweieinhalb Monate erstreckten und für die das Bundesliga-Ende in das Frühjahr vorverlegt worden war. Gescholten wird Neid zudem für Wechselfehler im Japan-Spiel und die Demontage von Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz.
"Ich mache mir keinen Vorwurf"
Schuld ist sie zum Teil selbst. Mit ihrer trotzigen Aussage ("Ich mache mir keinen Vorwurf") nach dem Viertelfinal-Aus hat die 47-Jährige die Chance ausgelassen, die Verantwortung für das Verpassen des Minimalziels Halbfinale zu übernehmen und den Nörglern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Nun muss Neid mit Erfolgen überzeugen. Dabei spielt der Bundestrainerin, die an den bisherigen zwei WM- und sieben EM-Triumphen der deutschen Auswahl als Spielerin, Assistenztrainerin oder Cheftrainerin beteiligt war, die anstehende EM-Qualifikation in die Karten. Ab September muss sich das deutsche Team auf dem Weg zur Europameisterschaft 2013 in Schweden mit der Türkei, Rumänien, Spanien, der Schweiz und Kasachstan messen. Eine viel leichtere Gruppe hätten die Titelverteidigerinnen kaum erwischen können.
Neid kann somit gefahrlos einen sanften Umbruch einleiten. "Wir haben viel Zeit, um uns auf die EM vorzubereiten und junge Spielerinnen einzubauen. Bei der EM wollen wir wieder vorne dabei sein", sagte die Trainerin, die nichts von einem radikalen Schnitt hält: "Es gibt keinen großen Neuaufbau."
Karriereende für Prinz, Hingst und Angerer?
In dieser Hinsicht könnte Neid bei ihrer Kontaktaufnahme mit den Spielerinnen in einigen Wochen allerdings eines Besseren belehrt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass nur Prinz und Ariane Hingst ihre Karriere im DFB-Trikot beenden werden. Durch die verpasste Olympia-Qualifikation ist das nächste Turnier auch für Inka Grings, Nadine Angerer, Kerstin Garefrekes und Martina Müller weit weg. Das gilt auch für Doris Fitschen. Der Vertrag der Nationalmannschafts-Managerin läuft aus, ihre Zukunft ist ungewiss.
Der Abschied von einigen altgedienten Spielerinnen dürfte Neid aber nicht allzu schwer fallen. Schließlich war der einen oder anderen Spielerin anzumerken, dass ihr Verhältnis zur Trainerin während der Endrunde gelitten hat. Das gilt nicht nur für Prinz, deren mögliches Abschiedsspiel zu einer Belastung für den Neustart unter Neid werden könnte. (sid)