Rennes. Bislang haben die deutschen Frauen bei der Fußball-WM noch nicht gezaubert. Mit Marozan könnte sich das im Viertelfinale gegen Schweden ändern.
Man sieht Dzsenifer Marozsan nun wieder häufiger. In den wenigen Minuten, in denen die Medienvertreter im französischen Rennes das Training der deutschen Fußballerinnen beobachten dürfen. In den Bildern vom Aufenthalt im Teamhotel, die die Mannschaft über die sozialen Medien senden lässt. Marozsan lacht, sie schießt, sie jongliert mit dem Ball. Die Fragen lauten nun: Wird man Dzsenifer Marozsan am Samstag im Viertelfinale gegen Schweden auf dem Spielfeld sehen (18.30 Uhr/ARD/DAZN)? Von Beginn an? Wird sie später eingewechselt? Und wie wird Deutschlands wohl beste Fußballerin die Spielweise ihres Teams verändern, nachdem dieses zuletzt drei Partien ohne die 27-Jährige auskommen musste?
Duell gegen den ewigen Rivalen Schweden
Ohnehin gibt es genug Fragen vor diesem Viertelfinale. Hat die fast einwöchige Pause nach dem 3:0-Achtelfinalerfolg gegen Nigeria gut getan? War sie zu lang? Wie ist Schweden einzuschätzen, dieser ewige Rivale der Deutschen, mit dem es in jedem großen Turnier zum Duell kommt? Es ist Martina Voss-Tecklenburgs Aufgabe, Antworten auf diese Fragen zu haben. Die Bundestrainerin gab sich am Vortag auf der Abschluss-Pressekonferenz auch entsprechend unaufgeregt. „Ich persönlich spüre keinen Druck, denn ich vertraue der Mannschaft“, sagte sie.
90 Minuten lang ist auch die Bundestrainerin mal nicht entspannt
Man mag es ihr fast glauben. Selbst vor einem WM- Viertelfinale. Diesem zweiten Schritt in der K.o.-Phase, in der es wieder heißt: weiterkommen oder heimfliegen. Denn Martina Voss-Tecklenburg wirkte wie in den vergangenen drei Wochen auch. Sie lächelte viel, schob immer wieder einen lustigen Spruch ein und beantwortete geduldig selbst die absurdesten Fragen der schwedischen Journalisten. In den Spielen ist es selbstverständlich anders. Dann läuft sie mitunter wild gestikulierend auf und ab, schreit ihren Spielerinnen Kommandos zu. 90 Minuten lang ist auch die Bundestrainerin mal nicht entspannt. Vier Spiele lang war das so, vier Siege durfte sie am Ende feiern. Nun wartet ein Gegner, der dem deutschen Team wohlbekannt ist, gegen den man zuletzt 1995 bei einem der großen Turniere verlor und den man im April im Testspiel noch mit 2:1 besiegt hatte. „Das kann man nicht vergleichen“, meinte die Bundestrainerin. „Ein Testspiel ist in Sachen Druck und Emotionen schon etwas anderes als ein WM-Viertelfinale.“
Selbst Schwedens Ministerpräsident schaltet sich ein
Dessen sind sich auch die Skandinavier bewusst. „Genug ist genug!“, sagte Torhüterin Hedvig Lindahl. „Es ist Zeit, die Geschichte zu ändern. Wir haben es satt, von diesem verdammten Deutschland-Spuk zu hören“, sagte Defensivspielerin Magdalena Eriksson. Selbst Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven schaltete sich ein: „Deutschland ist nicht mehr das Deutschland, das es noch vor ein paar Jahren war.“
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Stimmt, denn Martina Voss-Tecklenburg leitete auch einen Umbruch mit ihrem Amtsantritt im vergangenen November ein, sie baut auf viele junge Spielerinnen unter ihren 15 WM-Neulingen. „Diese Mannschaft zeigt Willen und Leidenschaft, sie hat einfach Charakter“, sagte die 51-Jährige. Gezaubert hat ihre Mannschaft noch nicht, das gab auch die Bundestrainerin zu. Dafür ist sie gerannt, hat gekämpft, und sich so von Spiel zu Spiel mehr Sicherheit erarbeitet. Und nun kommt wahrscheinlich die Frau mit der größten Magie im Umgang mit dem Ball zurück. Dzsenifer Marozsan ist bereit. Zeit, wieder zu zaubern.
Fragen um Dzsenifer Marozsan
Auf die obligatorische Stadionbesichtigung verzichtete das deutsche Team am Freitag. Den Rasen in Rennes kennen sie ja bestens. Hier besiegten sie China im Auftaktspiel, hier brach die Chinesin Wang Shanshan nach knapp zwölf Minuten den mittleren Zeh am linken Fuß von Dzsenifer Marozsan. Seitdem fehlte dem deutschen Team die Sicherheit im Spielaufbau. Der Star des Champions-League-Siegers Olympique Lyon kann den Ball sowohl aus dem offensiven als auch dem defensiven Mittelfeld mit einer unvergleichlichen Leichtigkeit über das Feld treiben, Lücken erkennen und Chancen kreieren. Zuletzt war Lina Magull die Vertreterin, nun könnte Marozsan mit einem Spezialverband auflaufen.
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Doch auch die Schwedinnen wissen vom kaputten Zeh, dem Lindenblatt im Spiel der Nibelungen. Gegen Schweden hat Marozsan schon häufig den Siegfried gespielt. Sie sorgte bei der EM 2013 für das Halbfinal-Aus des Gegners (1:0), im WM-Achtelfinale 2015 traf sie beim 4:1 und 2016 war sie im Olympiafinale die herausragende Spielerin beim Olympiasieg (2:1). „Ihr Zeh ist gebrochen und bleibt gebrochen“, stellte Voss-Tecklenburg noch einmal klar. Festlegen, dass ihr Star wirklich spielt, wollte sie sich allerdings nicht. Nur so viel: „Was zählt, ist ihr Wille, zu spielen. Und der ist da.“