Spiez.
Zu Sepp Herberger fehlen genau eine Etage und zwei Zimmer. Deutschlands erster Weltmeistertrainer nächtigte 1954 beim Schweizer WM-Turnier in Zimmer 301 des Belvedere Hotels zu Spiez. Fortunas Sportvorstand Wolf Werner hat die „403“. „Ist nicht schlimm. Das Hotel ist auch so ein Erlebnis für alle. Und das Trainingslager eines der attraktivsten meiner Laufbahn“, lobte der 71-Jährige im Interview mit unserer Mediengruppe auf der Terrasse mit Blick über den vom kalten Bergkristallwasser mintgrün gefärbten Thunersee.
Herr Werner, täuscht der Eindruck oder läuft das Fortuna-Training nicht nur zeitintensiver, sondern auch deutlich gelassener und ruhiger ab als noch in der alten Saison?
Wolf Werner: Es ist doch normal, dass mit einem Trainerwechsel vieles anders wird. Sonst hätten wir ja einen Zwilling verpflichtet.
Norbert Meier hat fünf erfolgreiche Jahre bei Fortuna hingelegt, wirkte aber in der Rückrunde nebst Last-Minute-Abstieg in vielen Situationen so, als habe er den Faden verloren. Haben Sie sich gemeinsam mit dem Vorstand im Nachhinein nicht die Frage stellen müssen, schlicht zu spät gehandelt zu haben?
Werner: Wir haben das schlechte letzte halbe Jahr intensiv analysiert und gucken jetzt nur noch vorn. Der Rest ist müßig und nicht für die Medien bestimmt. Man ändert ja auch eh nichts mehr dran. Vielleicht haben wir alle, auch ich, zu lange geglaubt, es wird schon irgendwie klappen. Mehr will ich dazu nicht mehr sagen. Weitere Fragen sind zwecklos.
Fortuna besitzt die zweitjüngste Mannschaft der zweiten Liga. Setzen Sie nun mehr auf Dynamik als auf Erfahrung?
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Werner: Mike Büskens intensiviert den Kurs, den wir unter Norbert Meier angefangen haben. Seit Marcel Gaus und Kai Schwertfeger haben wir eine Durststrecke, was Local Player aus der eigenen Jugend anbetrifft.
Auf Erfahrung können Sie nicht verzichten. Nervt Sie die latente Diskussion um einen möglichen Abschied von Innenverteidiger Martin Latka?
Werner: Es gibt Medien, die ruhelos daran arbeiten, Spieler von uns wegzuschreiben. Nur um der Geschichte Willen.
Glauben Sie wirklich, dass jemand das mit Vorsatz auch tatsächlich schafft?
Werner: Ich habe zumindest den geschilderten Eindruck gewonnen. Martin nervt das Thema am meisten. Er ist einer unserer Teamleader. Wir können ihn nicht gehen lassen. Man muss allerdings auch sehen: Es ist das Normalste der Welt, wenn ein Spieler sagt, er möchte in der höchsten Liga dabei sein.
Fortunas Genki Omae entwickelt viel Spielfreude
Das gilt ebenso für ihre Torhüter, oder?
Werner: Daraus mache ich kein Thema. Das läuft schon viel zu viel in den Medien.
Die Frage nach dem Starter ist aber berechtigt, wenn zwei bundesliga-taugliche Keeper wie Fabian Giefer und Michael Rensing beim gleichen Klub in Liga zwei spielen.
Werner: Natürlich! Trotzdem muss man doch mal die Vorbereitung abwarten, um sich ein sportliches Urteil zu bilden. Mal sehen, wer die Nase gegen Cottbus am 22. Juli vorn hat.
Vor einem Jahr war’s Giefer. Und den nahm dann Coach Meier eisern nicht mehr aus dem Tor, obwohl Giefer in der Rückrunde eine klare Mitschuld am Abstieg trug.
Werner: Ich gehe davon aus, dass der bessere Torwart nach einer objektiven Beurteilung eingesetzt werden wird. Außerdem ist es doch normal, dass die Leistungen beider Torhüter über die laufende Saison positiv aber auch kritisch immer weiter neu bewertet werden.
Apropos objektiv: Ist Genki Omae mittlerweile in Düsseldorf angekommen?
Werner: Japaner brauchen der Erfahrung nach ein halbes Jahr, um sich in Deutschland zu akklimatisieren. Meine Trainingseindrücke sagen, dass Genki viel Spielfreude entwickelt. Es geht nicht, ihn dauerhaft an einem schwachen Spiel in Frankfurt zu beurteilen. Das wäre ja genauso, als würde einer dreimal fünf Minuten einen Text schreiben und dies dann als Roman bewerten lassen.
Was werden Sie heute in einem Jahr machen, wenn Ihr Vertrag bei Fortuna ausgelaufen ist?
Werner: Mein Garten in Wilhelmshaven liegt brach. Da werde ich sicher kreativ arbeiten.
Unter Ihrer Ägide ist Fortuna von der zweigeteilten Regionalliga in die Bundesliga marschiert. Was war ihr persönliches Highlight?
Werner: Es gab viele, auch Rekorde. Natürlich die Aufstiege und die Entschuldung der Fortuna. Mein Favorit ist allerdings jener Samstag im Mai 2009, als wir gegen meine alte Mannschaft vor 50 000 Zuschauern in der Arena den Zweitliga-Aufstieg perfekt gemacht haben. Und Werder Bremen II stark abstiegsbedroht trotzdem in der Liga geblieben ist. Das war ein echter Glückstag.
Vielleicht verabschieden Sie sich ja auch mit einem solchen nach fast sieben Jahren Fortuna?
Werner: Natürlich wollen wir unseren erlittenen Rückschlag korrigieren. Dafür haben wir alle die Weichen gestellt.