Düsseldorf. Die Landeshauptstadt sieht sich überall in der Bundesliga. Wird Zeit, dass die Fortuna endlich mal nachzieht. Lang genug hat man sich über sie geärgert. Nach so vielen bitteren Fußballjahren ließe sich manche Enttäuschung versüßen oder in einem Meer von Altbier ertränken.
„Vergesst L.A., vergesst Paris“, flötet die Stimme von „Sex and the City“-Star Carrie Bradshaw in einem Werbefilmchen, und man muss nicht lange überlegen, welche Stadt sich da gerade auf die Schulter klopft: Düsseldorf, natürlich. Bescheidenheit ist der Landeshauptstadt in ihrer Außendarstellung so eigen wie Kölsch.
Schon deshalb ahnt man, wie sehr sie unter dem Mief der Bedeutungslosigkeit leiden musste, den der ranghöchste Fußballklub jahrelang verströmte. Wenn Fortuna Glück heißt, möchte man nicht wissen, wie Pech aussieht: Der Verein, der 1979 gegen den FC Barcelona das Pokalsieger-Finale verlor, wurstelte sich bis in die Untiefen der vierten Liga hinab, strapazierte die Leidensfähigkeit seiner treuen Anhänger und bettelte regelmäßig um Geld, wenn mal wieder die Stadionmiete fällig war.
Da rümpfte der Düsseldorfer leicht angewidert die Nase. Verlierer haben’s besonders schwer in einer Stadt, die mit unerhörtem Ehrgeiz überall vorne mitspielen will. Vergangenheit: Man spricht seit zwei, drei Jahren wieder über die Fortuna, ohne die Stimme senken zu müssen. Die Mannschaft macht Spaß. Natürlich surfen jetzt auch Tausende mit auf der Erfolgswelle, die von den Rot-Weißen ewig lang nichts wissen wollten.
Schuldenfreie Trutzburg
Düsseldorf, einzig schuldenfreie Trutzburg des rheinischen Kapitalismus, ist in vielerlei Hinsicht Bundesliga. Das muss nun auch die Fortuna endlich mal begreifen und nachziehen, sagt man sich zwischen Altstadt und Arena. Zumal der notorisch klamme Nachbar 40 Kilometer südlich doch ab sofort in der Zweitklassigkeit herumdümpelt. Und was könnte schöner sein, als den Aufstieg ausgerechnet gegen die Berliner zu schaffen, denen jede Großspurigkeit verziehen wird – und die sich als miserable Verlierer zeigen, wenn sie nicht alles bekommen, was sie wollen. Den Eurovision Song Contest zum Beispiel. Womit wir wieder bei Düsseldorf wären.
Dessen Marketingexperten mühen sich seit Jahren vergeblich nachzuweisen, dass die Stadt nicht nur von Landrover fahrenden Zahnarztgattinnen bevölkert wird und die Zahl der Zweireiher mit Goldknöpfen nicht höher ist als in Köln. Sie gehen hausieren mit Studien, die Düsseldorf bei der Lebensqualität auch ohne Erstligafußball weltweit auf vordersten Plätzen sehen. Was der Düsseldorfer natürlich schon lange weiß.
Irgendwie hat sich republikweit das Bild von Schick und Mick festgefressen, von reichen Spießern, die rund um die Uhr ihre Gesichter an die Schaufenster der Königsallee-Juweliere pressen. Während der Kölner auch im Fernsehen gern als ewig lustiger Kumpel verkauft wird, muss der Düsseldorfer den Schnösel geben. Düsseldorf wird eher als Friseurmetropole denn als Fußballstadt empfunden. Mit hämischen Zeitungskommentaren und Reportagen, die Klischees lieber pflegen, als sie zu hinterfragen, kann sich Oberbürgermeister Dirk Elbers das Rathaus tapezieren. Das Dorf an der Düssel, selbst dieser schmale Scherz ist nicht auszurotten. Wie groß die Kluft zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung ist, hat ihm eine 140.000 Euro teure Marktforschungsstudie im vergangenen Juli bestätigt. Das hätte man mit einer Straßenumfrage billiger haben können.
Es ist eher rührend, mit anzusehen, wie die Stadtoberen strampeln, um das zementierte Image irgendwie aufzusprengen, das sie über Jahre mit gepflegt haben und das der Düsseldorfer in seiner gutbürgerlichen Stammkneipe gelassen zur Kenntnis nimmt: Sollen sie draußen doch sagen, was sie wollen, wer einmal hier ist, der fühlt sich in der Regel wohl.
Zückerchen im Gesamtwerk
Während Dortmund von den Triumphen seiner schwarz-gelben Helden profitiert, weil sie den Blick auf die Stadt lenken, würde ein Aufstieg der Fortuna in die Bundesliga in Düsseldorf eher als Zückerchen im Gesamtwerk empfunden. Aber nach so vielen bitteren Fußballjahren ließe sich manche Enttäuschung versüßen oder in einem Meer von Altbier ertränken. In Düsseldorf würden sie feiern. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr als in L.A. oder Paris.