Essen. Angela Merkel reist unerwartet nun doch zum EM-Spiel nach Danzig. Das dürfte für reichlich Zündstoff sorgen und das ohnehin brisante Spiel zwischen Griechenland und Deutschland noch spannender machen. Die Griechen schießen sich schon jetzt auf die unbeliebte Angela ein.
"Bringt uns Merkel", forderte die griechische Sportzeitung "Gol News" am Montag. Der Wunsch geht Erfüllung: Entgegen der ursprünglichen Planung will die Kanzlerin nun doch am Freitag zum EM-Viertelfinalspiel Deutschland gegen Griechenland nach Danzig fliegen. Dort wird sie wohl Pfiffe zu hören bekommen, von den griechischen Fans, die in großer Zahl im Stadion erwartet werden.
Last-Minute-Reisen nach Danzig
Der Athener Reiseveranstalter Travel Plan bietet jetzt in ganzseitigen Zeitungsanzeigen Last-Minute-Reisen nach Danzig an: 490 Euro kostet der Tagestrip, für 590 Euro bekommt man noch eine Übernachtung dazu. Die Aussicht, in Danzig auf die deutsche Kanzlerin zu treffen, von der laut Umfragen 83 Prozent der Griechen eine "schlechte Meinung" haben, dürfte die Nachfrage nach den Tickets weiter steigern.
"Gol News" weiß auch schon, wie die Partie enden wird: "Ihr kriegt uns niemals aus dem Euro", rief die Zeitung den Deutschen zu. Gemeint war wohl neben der EM auch die Gemeinschaftswährung. Mit "unbändigem Glück und großem Stolz" fiebere ganz Griechenland dem Spiel entgegen, schrieb die Zeitung "Metro Sport". Und das Blatt "Sport Day" posaunte nach dem Sieg der Griechen über Russland: "So qualifizieren sich Deine Schuldner, Angela, mach Dich bereit!"
Griechen sind für Überraschungen gut
Der griechische Mittelfeldspieler Giannis Maniatis glaubt, dass seine Mannschaft auch Deutschland bezwingen kann: "Wir werden ihnen geradewegs in die Augen sehen, wir werden sie nicht fürchten, auch wenn sie die Favoriten sind." Dass die Griechen für Überraschungen gut sind, wer wüsste das besser als Otto Rehhagel, der die Hellenen bei der EM 2004 unerwartet auf den Fußball-Olymp führte. Das "Wunder von 2004" könne sich wiederholen, sagte Rehhagel im Interview mit "Sport Day". Wenn die Mannschaft wie gegen Russland aufspiele, sei "Griechenland zu allem fähig", meint der Essener Fußballlehrer.
Die Motivation ist jedenfalls da, bei der Mannschaft ebenso wie bei den Fans. "Die Panzer", so nennen griechische Medien die deutsche Nationalmannschaft gern, und da schwingen Erinnerungen an die dunklen Jahre der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg mit.
Schuldenkrise und das Sparprogramm treiben Keil zwischen Völker
Trotz dieser Schatten der Geschichte waren Griechen und Deutsche bis vor wenigen Jahren ziemlich gute Freunde. Nicht zuletzt wegen ihrer Fußball-Tradition genossen die Deutschen bei vielen Hellenen Ansehen. Aber die Schuldenkrise und das Sparprogramm haben einen Keil zwischen die beiden Völker getrieben. Fast acht von zehn Griechen sehen Deutschlands Rolle in Europa "negativ". Jeder dritte Befragte assoziiert mit Deutschland spontan Begriffe wie "Hitler", "Nazis" und "Drittes Reich".
Die harten Sparauflagen, die Griechenland in die schwerste Rezession seit Kriegsende getrieben und Hunderttausende arbeitslos gemacht haben, werden vor allem der Bundesregierung angelastet. Viele Griechen fühlen sich von Deutschland erniedrigt und hoffen nun auf Revanche: "Alle hacken auf uns herum", schimpft der Griechen-Torhüter Michalis Sifakis, "wir wollen mehr Respekt!"
Griechenland hat noch nie gewonnen
Auch Griechenlands Nationaltrainer Fernando Santos schlägt patriotische Töne an: "Was uns inspiriert, ist die Geschichte Griechenlands. Hier hat alles begonnen, und das gilt es zu achten", erklärte der Portugiese, der von sich selbst sagt, er sei "mehr Grieche als jeder andere". 2004 war es der Deutsche "König Otto", der die Griechen gegen Portugal zur Europameisterschaft führte.
Jetzt soll der Portugiese Santos ihnen helfen, die Deutschen zu bezwingen, auch wenn die Statistik für die Deutschen spricht: Von acht Begegnungen bei internationalen Turnieren haben die Deutschen fünf gewonnen, drei Partien gingen unentschieden aus. Die Griechen haben also bisher noch nie gegen Deutschland gewonnen. Aber schließlich geht jede Serie einmal zu Ende.