Charkow. Mark van Bommel, der Kapitän der niederländischen “Elftal“, findet es unglaublich, dass sein Team in der großen Not nach der 1:2-Niederlage bei der EM gegen Deutschland sogar noch eine Chance hat. Dass es im Binnenklima nicht stimmt, ist offensichtlich.
Mark van Bommel wirkte wie das Sinnbild der niederländischen Enttäuschung: Mit dem Rollkoffer in der Hand stand er in kurzer Hose im Metalist-Stadion und starrte Löcher in die Luft. Einerseits sinnierte der Kapitän, wie kurios die Konstellation doch sei, dass seine Mannschaft trotz zweier Niederlagen noch weiterkommen kann. „Eigentlich unglaublich“, sagte der 35-Jährige nach dem 1:2 gegen Deutschland, „es ist noch nicht total aus.“
Durchhalteparolen und viel Fantasie
Andererseits erklangen auch aus seinem Mund kaum mehr als monoton vorgetragene Durchhalteparolen. Ein Sieg mit zwei Toren Differenz gegen Portugal und ein gleichzeitiger deutscher Erfolg gegen die Dänen – und die Niederlande würden noch ins Viertelfinale schlüpfen. Dafür muss viel Fantasie her. Oder solche Vorstellungskraft, wie sie Joris Mathijsen aufbringt: „Bei einer Mannschaft, die fast ausgeschieden ist, passiert es vielleicht, dass nächstes Mal alle Chancen reingehen.“
In Wahrheit wird der verzweifelt verbreitete Zweckoptimismus längst von Egoattacken überlagert. Warum musste Arjen Robben bei seiner Auswechslung schwungvoll über die Bande springen, statt Dirk Kuyt am Spielfeld abzuklatschen – der Freigeist vom Flügel spart doch sonst mit Sprints. Der von seinem Bayern-Kollegen Philipp Lahm sichtlich entnervte Robben redete sich hinterher den Frust von der Seele: „Ab und zu sieht es so aus, als ob unsere Organisation überhaupt nicht stimmen würde. Die Kompaktheit wie bei der WM 2010 fehlt.“ Verantwortlich dafür ist an zentraler Stelle auch sein früherer Freund und Mitspieler van Bommel, der von seinem Schwiegervater Bert van Marwijk bereits zur Pause ausgewechselt wurde.
Personaldebatten lähmen die Elftal
Der Bondscoach sparte ebenso nicht mit öffentlicher Kritik: „Wir waren in der Abwehr zu schwach. Und von den Seiten mit Afellay und Robben kam nichts. Wenn die beiden stark gewesen wären, hätten es die Deutschen schwerer gehabt.“
Es sind Schuldzuweisungen wie diese, die ein schlechtes Licht aufs Binnenklima werfen. Klaas-Jan Huntelaar und Rafael van der Vaart, in einer besseren zweiten Halbzeit auf dem Feld, fordern bei jeder Gelegenheit mehr Einsätze. Doch die Debatten sind lähmender Natur. Nur an eines glauben Trainer und Spieler standhaft: an die schwarz-rot-goldene Schützenhilfe. Dirk Kuyt: „Man kann vieles über die Deutschen sagen, aber sie werden ihren Job tun.“