Charkow. Mario Gomez zahlte das Vertrauen des Bundestrainers beim 2:1-Sieg der DFB-Elf gegen die Niederlande mit zwei wunderschönen Treffern zurück. Mit seinen Toren in diesem EM-Duell dürfte der Stürmer des FC Bayern die leidvollen Diskussionen um sich und sein Fußballspiel beendet haben.

Mario Gomez dreht ab, dreht einfach ab, geht ein paar Meter, klatscht dabei in die Hände und ballt schließlich seine Finger zu Fäusten. Es ist ein bescheidener Jubel für einen, der so eben sein zweites Tor in diesem Europameisterschafts-Duell gegen Holland erzielt hat – und damit gleichzeitig die leidvollen Diskussionen um sich und sein Fußballspiel beendet haben dürfte. Ach was beendet: pulverisiert, zerstört.

Mario Gomez, der Nationalstürmer, hatte Deutschland zum Auftakt dieser EM ein Tor geschenkt, ein schönes, ein gekonntes obendrein. Und trotzdem fragte man sich, ob dieser Mann denn nun im zweiten Spiel gegen die Niederlande wieder Mittun werden dürfe, weil er sich so schlecht bewegt hatte, weil er nicht sehr viel an diesem Spiel teilgenommen hatte und überhaupt, weil er technisch so limitiert sei. All das verdichtete Fernseh-Experte Mehmet Scholl noch während des ersten Spiels zu der vernichtenden Kritik, dass sich dieser Mario Gomez offenbar wundgelegen habe und alsbald gewendet werden müsse.

Aber Gomez spielte gegen Holland. Und wie er spielte. Angetreten, um alle Anklagepunkte mit einem leidenschaftlichen Plädoyer in eigener Sache zu entkräften.

Nicht nur, dass der Stürmer des FC Bayern München eben jene Tore erzielte, nein, er zelebrierte sie. Tore, so schön, dass man sie rahmen und an die Wand  hängen möchte. Tore wie Gemälde. Das erste, technisch fein, Ballmitnahme während einer Körperdrehung, eiskalt der Abschluss. Das zweite, schnell, kompromisslos, ein Schuss wie aus einer Kanone. Dann dreht er ab. Und jubelt seinen Jubel, der den Namen eigentlich nicht verdient.

Gomez rackerte bei unerträglicher Schwüle

Möglich, dass all diese Diskussionen doch etwas weniger an ihm vorbei gegangen sind, als er in den vergangenen Tagen behauptete. Gomez rackerte bei unerträglicher Schwüle, verfolgte die Holländer bis weit in deutsche Hälfte und half, die Bälle zurückzuerobern. Als er ihn am Fuß führte und die Gegenspieler abgeschüttelt hatte, strich er sich noch schnell die Haare aus dem Gesicht.

Das ist der andere Gomez, der, den seine Kritiker gerne sehen. Einen jungen Mann, der aussieht wie ein Model, der über einen Körper verfügt wie ein Actionheld und seine Frisur – siehe oben – hegt und pflegt. Vielleicht ist es das, was ihm den Weg in die Herzen von so vielen Menschen so unerträglich weit macht. Immer wieder ist er auch beim FC Bayern im Zentrum der Kritik. Vor allem dann, wenn er mal kein Tor schießt – was selten genug ist. 26 Tore schoss er in 33 Spielen der vergangenen Bundesligasaison. In der Champions League, der Liga der Meister, traf er in zwölf Spielen zwölf Mal. Nur Lionel Messi, der mehrfache Weltfußballer, war da besser. „Mario ist eine Tormaschine“, sagt sein Nationalmannschafts-Mitspieler Mats Hummels.

„Der Mario“, sagt Bundestrainer Joachim Löw, „hat auch im Verein schon viele Täler durchschritten. Das stählt. Er hat einen objektiven Blick auf seine eigene Leistung.“ Soll heißen: der Mario steckt das weg, selbst wenn er noch hundert oder 1000 Tore schießen muss, was nicht mehr lange dauern kann, bis ihm dies gelingt.

Eine Viertelstunde vor dem Ende wurde Mario Gomez in der Hitze der Nacht von Charkow ausgewechselt. Für ihn kam Miroslav Klose, der Mann, den sich viele an seiner statt in der Startelf gewünscht hätten. Mario Gomez schlenderte vom Platz, den Kopf nach unten gesenkt, als sei dies das schlechteste Spiel seiner Karriere gewesen. Erst als er bei Joachim Löw angelangt war, huschte ihm ein kleines, zartes Lächeln über die Lippen. Löw hatte ihm vertraut, erneut vertraut. Und Gomez hatte es zurückgezahlt, erneut zurückgezahlt.