Danzig. . Bastian Schweinsteiger hat in der deutschen Nationalmannschaft schon viele Rollen gespielt. Da er sich aber immer als überzeugende Besetzung bewiesen hat, ist er für Bundestrainer Joachim Löw stets von hoher Bedeutung. Auch wenn er im Moment noch seine Form sucht.
Joachim Löw ist ein ehrenwerter Mann. Wenn er behauptet, nur im Falle „absoluter Fitness“ würde von ihm die Erlaubnis zur Kontaktaufnahme mit dem Rasen erteilt, dann steckt darin Wahrheit. Wenn er verkündet, über ein Ensemble von solch hoher Qualität zu verfügen, dass er „als Trainer einfach mal tauschen“ könne, dann muss das als seriös hingenommen werden. Manchmal aber raunt auch dem Bundestrainer der innere Schweini-Hund zu: Reite deine Prinzipien nicht zu Tode, folge dem, was dein strenger Kopf mit deinem gefühligen Bauch ausgekungelt hat.
Bastian Schweinsteiger kann bei der ersten Vorrundenpartie der EM nur auf diese Weise, nur durch eine kleine Auskungelei auf den Platz gelangt sein. Löw hat zwar nach dem 1:0-Sieg gegen die Portugiesen eine Begründung präsentiert, die Rationalität nachweisen sollte. Miroslav Klose und Per Mertesacker hatten in der Saisonschlussphase keine Spielpraxis. Schweinsteiger hat am Ende noch in allen Wettbewerben mitgewirkt. Doch der Bayer wurde zuvor auch über Monate hinweg durch Schlüsselbeinbruch und Außenbandriss am Sporttreiben gehindert. Und der Weg von einem so tief gelegenen Tal zurück auf den Leistungsgipfel ist naturgemäß beschwerlich.
Schweinsteiger ist sich sicher: Die Topform kommt
Das weiß auch der 27-Jährige. Am Dienstag, nach der Ankunft der Mannschaft im ukrainischen Charkiw, einen Tag vor dem Zusammenprall der alten Rivalen Deutschland und Holland, hat er mit dem Blick zurück auf seinen Fado gegen Portugal erklärt: „Ich weiß, dass ich schon besser gespielt habe.“ Dass der Bundestrainer einen Wechsel vornehmen, dass er den jungen bajuwarischen Teamkollegen Toni Kroos vorziehen könnte, der ihn schon so oft vertreten musste, hält Schweinsteiger aber für ausgeschlossen: „Ich werde noch zu meiner Topform kommen.“ Hier. Bei der EM. In den Spielen. Basta.
Und warum auch nicht? Sprach nicht auch alles gegen Einsatz Nummer eins? Ausgedehnte Verletzungspausen. Spät im Trainingslager eingetroffen. Wegen malader Wade nicht einmal an der letzten Testpartie gegen Israel teilgenommen. Und mit Sami Khedira, dem Partner aus dem zentralen Mittelfeld, konnte er in den vergangenen 15 Spielen der Nationalelf genau zweimal gemeinsam auflaufen. Inklusive des Portugal-Ernstfalls.
Ein bisschen Chef braucht das DFB-Team
Die „Lex Schweini“ existiert also, und hinter ihr verbirgt sich eine lange Geschichte. Eine fußballphilosophische Geschichte. Als Flügelartist wurde Schweinsteiger von 2004 an gebraucht. Weil er das konnte und in der Zentrale der offensive Michael Ballack und sein defensiver Bodyguard Torsten Frings tätig waren. 2007, bei einer Begegnung mit Wales, fehlte Ballack und der Basti durfte erstmals Regie führen. Im März 2010 positionierte Löw ihn bei einer WM-Testpartie gegen Argentinien dann neben dem Capitano. Neues Anforderungsprofil: „Ich will auf der Sechserposition Leute, die in die Offensive gehen können.“
Leute. Ein Plural, der die Abkehr von der Star-mit-Kettenhund-Formation einleitete. Mittlerweile aber ist der Bundestrainer gedanklich noch weiter vorangeschritten, mittlerweile will er das „fließende Dreieck“ auf dem Rechteck sehen. Idealerweise: mit Schweinsteiger, mit Khedira, mit Strippenzieher Mesut Özil. Idealerweise: alle in Bewegung, nach vorne preschend, absichernd, ständig die Rollen tauschend. Und dennoch: mit einem strategischen Kopf, mit einem Anführer, mit einem Schweini. Denn auf ein bisschen Chef, auf Chefchen mag selbst dieser Bundestrainer einfach nicht verzichten.