Danzig. Mit wem es die deutsche Nummer 1 und seine Kollegen im zweiten EM-Gruppenspiel genau zu tun bekommen, ist noch unbekannt. Aber klar ist, dass es gewaltige Offensivqualität sein wird. Möglich, dass Manuel Neuer 90 Minuten unter Dauerfeuer stehen wird. Möglich, dass er nur einmal gebraucht wird, aber dann richtig.
Es ist davon auszugehen, dass Miroslav Klose im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. Und dass er in diesem Moment auch an all die anderen durchaus gedacht hat, die in der deutschen Fußball-National-Mannschaft einen herausgehobenen Status für sich beanspruchen. An Schweinsteiger, den emotionalen Leader, wie Bundestrainer Joachim Löw schwärmt, an Lahm, den Kapitän, oder an Özil, diesen jungen Kerl, der so wunderschöne Dinge mit dem Ball auf dem Platz anstellen kann. Aber Miroslav Klose, der Stürmer, dachte in diesen Tagen von Danzig an Manuel Neuer, den Torwart, und sagte: „Der ist Wahnsinn! Ich habe schon öfter gesagt: Das ist unser wichtigster Mann!“
Es ist auf den ersten Blick ein mindestens gewagtes Urteil bei all der anderen Prominenz im deutschen Kader. Aber Neuer war es, der den deutschen Sieg gegen Portugal mit seinen Paraden besonders in den Schlussminuten festhielt. Auf den 26-Jährigen wird es auch am Mittwoch wieder ankommen, wenn der zweite Gegner bei dieser Europameisterschaft im ukrainischen Charkow Holland (20.45 Uhr/live im ZDF und im DerWesten-Ticker) heißt. Es wird ein besonderes Spiel – und ein vollkommen anderes Spiel.
Anspruchsvoller Job zwischen den Pfosten
„Es ist für einen Torhüter nie leicht, wenn er erst so spät im Spiel den ersten schwierigen Ball halten muss“, sagt Neuer über das Auftaktspiel, in dem er lange, lange Zeit ohne wirkliche Aktion blieb, in dem er auf seinen Moment warten musste, in der restlichen Zeit stets und immer auf alles gefasst. Ein anspruchsvoller Job, einer, bei dem sich der Druck mit jeder verrinnenden Minute weiter aufbaut, weil die nächste Aktion die entscheidende sein könnte und immer weniger Zeit bleibt, einen möglichen Fehler wieder gut zu machen. Ein Job, den er bereits kennt. Vom FC Bayern München.
Seine erste Saison beim deutschen Branchenriesen war eine mit Höhen und Tiefen. Eine, in der er erstmal lernen musste, diese hohe Kunst des Torwartspiels umzusetzen. „Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Das ist die größere Herausforderung. Deswegen ist es mir auch lieber, wenn ich weniger Bälle aufs Tor bekomme.“
Neuer wächst an seinen Fehlern
Sätze, die viel sagen über diesen jungen Mann aus Gelsenkirchen-Buer. Er scheint den Druck zu lieben. Er hat an sich stets die höchsten Ansprüche, Fehler wie sie ihm zum Beispiel in beiden Spielen der vergangenen Saison gegen Borussia Mönchengladbach unterliefen, ärgern ihn am meisten. Gleichzeitig geht er nicht an ihnen kaputt, er wächst an ihnen. Das ist seine Kunst.
Früher stand er beim FC Schalke in der Nordkurve, später beim FC Schalke im Tor. Es ist sein Herzensverein, aber München lockte mit der Aussicht auf Pokale, auf Titel. Neuer will Titel. Und er ist bereit, Verantwortung zu übernehmen, wenn es darauf ankommt. Im sagenumwobenen Endspiel der Champions League im eigenen Münchner Stadion gegen Chelsea meldete sich Neuer, der Mann aus dem Fachgebiet Halten, als einer der fünf Elfmeterschützen – seine Kollegen, allesamt hoch bezahlte Experten im Bereich Schießen, kniffen. Neuer verwandelte, als seien seine Nerven aus Stahl.
Gegen die Niederlande unter Druck
Sein Mitspieler Arjen Robben war nachvollziehbarer Weise einer von denen, die lieber nicht schießen wollten. Er hatte schon in der Verlängerung seinen Strafstoß verschossen und damit den möglichen Triumph, den Titel, vergeben. Arjen Robben ist Holländer. Genauso wie Klaas-Jan Huntelaar, der Bundesliga-Torschützenkönig, den Neuer aus gemeinsamen Zeiten beim FC Schalke kennt.
Mit wem es die deutsche Nummer 1 und seine Kollegen es genau zu tun bekommen, ist noch unbekannt. Aber klar ist, dass es gewaltige Offensivqualität sein wird. Möglich, dass Manuel Neuer 90 Minuten unter Dauerfeuer stehen wird. Möglich, dass er nur einmal gebraucht wird, aber dann richtig. Manuel Neuer wird so oder so schwer unter Druck stehen. „Aber ich freue mich, dass wir jetzt bei einem Turnier auf die Niederlande treffen“, sagt er. Es ist die Einstellung von einem, mit dem man Titel gewinnen kann.