Danzig. Eine Chance, ein Tor - Mario Gomez schoss die deutsche Nationalmannschaft zum im EM-Auftaktspiel zum 1:0-Erfolg über Portugal. Der DFB-Elf mangelte es aber auch an Esprit und an Kombinationsglanz, weil Gomez nicht mitarbeitete.
Auf dem Rückflug von Lwiw nach Danzig saß Mario Gomez in der ersten Reihe, vom Cockpit aus betrachtet ganz rechts. Das hatte den Vorteil, dass der 1,89-Meter-Mann seine Beine lang ausstrecken konnte. Das hatte den Nachteil, dass die Journalisten, die nach dem ersten EM-Vorrundenspiel in der Ukraine auch die Rückkehr zur polnischen Basisstation der Nationalmannschaft anstrebten, alle, alle, alle an im vorbeimussten. Im Gegensatz zum Distanz durch Muffeligkeit signalisierenden Holger Badstuber lächelte Gomez häufig. Allerdings: zurückhaltend, ein wenig scheu, nicht wie ein Sieger, nicht wie ein Stürmer auch lächeln könnte, der sein Tagwerk mit einem wichtigen, einem enorm wichtigen Treffer vollendet hat.
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Badstuber und Gomez waren die Dopingkontrollopfer der schwülen Nacht von Lwiw. Beide hatten sie nach dem erleichternden 1:0 gegen die hartnäckig verteidigenden und in der Offensive immer unter Geniestreichverdacht stehenden Portugiesen den Flieger des Ensembles verpasst. Und während Badstuber sich sicher sein konnte, dass sein Innenverteidigerkollege Mats Hummels gelobt, er aber im Angesicht der aufrechten Null nicht kritisiert werden würde, wusste Gomez schon, dass die Diskussionsblase wieder in der Luft hing. Es passiert ihm ja seit Jahren. Trifft er, stellt sich eine gewisse Zufriedenheit ein. Trifft er nicht, wird er verdächtigt, den falschen Beruf gewählt zu haben.
Bundestrainer Joachim Löw machte es sich einfach
Der Bundestrainer hat es sich im Scheinwerferlicht des Erfolges einfach gemacht. „Eine Chance, ein Tor.“ Fazit: „Großartig.“ Doch auch Joachim Löw hegte Zweifel, sonst hätte er keine Personalrochade vornehmen wollen in der „drei-, vier-, fünfundsiebzigsten Minute“. Miroslav Klose wartete an der Seitenlinie auf seinen Auftritt. Gomez sollte von der Bühne abtreten. Und dann landete ein von Sami Khedira geschlagener Ball „genau auf meinem Schädel“. In Minute 72. Sekunden vor einem für ihn geplanten Abschied, der nicht von Applaus begleitet worden wäre. Die Interpretationsrichtung hatte Mehmet Scholl bereits vorgegeben, in seiner Rolle als TV-Fußballweiser: „Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundliegt und man ihn wenden muss.“
In der Satzschmiede war Scholl auch als Profi des FC Bayern schon durch Spitzenleistungen aufgefallen. Für Gomez bedeutete sein pfiffiges Bonmot auf die Partie bezogen: Deutschland mangelte es gegen Portugal an Esprit, an Kombinationsglanz, an Schnelligkeit in den Gedanken und den Handlungen, weil der Stürmer nicht mitarbeitete, weil er vielleicht auf diesem Niveau gar nicht dazu in der Lage ist, ein Spiel mitzuspielen. Und Löw hat dem sensiblen Schützling, den er überraschend dem Veteranen und bekannten Mit-Spieler Klose vorzog, zwar attestiert, für die Defensive geackert zu haben. Uneingeschränktes Vertrauen genießt der Ergebnisproduzent aber bei ihm nicht.
26 Tore in 33 Bundesligabegegnungen für die Bayern, zwölf Tore in zwölf Champions-League-Partien: Gomez wäre die natürliche Nummer eins im Auge des Sturms, wenn der offizielle Bundestrainer und all die inoffiziellen Bundestrainer der Nation nicht diese Vision von einem flüssigeren, von einem eleganteren, von einem schlicht schöneren Spiel hätten, als es mit ihm möglich scheint. Warum gegen Portugal nur über weite Strecken Dominanz beobachtet, warum nur konstatiert werden konnte, dass die Deutschen die Sache weitgehend „im Griff“ hatten (Löw), wird als Frage nun verzehrend heiß verhandelt. Und natürlich geht in dieser Hölle der fallbeilscharfen Schlüsse auch darum, ob Tauglichkeit für einen Einsatz beim nächsten Spiel, beim Endspiel-Spiel für die nach dem 0:1 gegen Dänemark unter Blamagedruck geratenen Niederländer am Mittwoch im ukrainischen Charkow, allein durch ein Tor als nachgewiesen akzeptiert werden kann.
Klose oder Gomez - Löw hält sich alle Optionen offen
Die Mannschaft findet unisono, Aufopferungsbereitschaft und Disziplin aller Beteiligten hätten gegen die am Ende der ersten und im Auslauf der zweiten Hälfte gefährlich das deutsche Tor und dessen Hüter Manuel Neuer traktierenden Portugiesen den schmalen und doch feinen Erfolg garantiert. Klose hat verkündet, er sei „hundertprozentig fit“. Löw hält sich alle Optionen offen. Und Mario Gomez lächelt häufig.