Danzig. Die Stürmer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft werden in den polnischen Zeitungen, besonders in den Boulevard-Blättern, vollkommen unterschiedlich skizziert. Was die öffentliche Wahrnehmung anbelangt, trennen die beiden in ihrem Geburtsland bisweilen Lichtjahre.

Das Training im Stadion von Legia Danzig ist beendet, die Nationalspieler haben sich in die Sitze des Mannschaftsbusses sinken lassen. Aber die Reise zurück ins Hotel verzögert sich, weil zwei Kollegen noch gefragt sind: Lukas Podolski und Miroslav Klose. Männer, Mädchen, Frauen, Jungs – sie alle lehnen sich über das Geländer, um den beiden Stars polnische Fahnen, Bälle oder nur ein Stückchen Papier entgegenzurecken, damit sie ihr Autogramm darauf verewigen können. Ein warmer Empfang für die zwei deutschen Fußballer, die auch polnische Fußballer sein könnten. Besonders für Miroslav Klose ist das ein schönes, weil bislang schmerzlich vermisstes Gefühl. „Das“, sagt er, „war sehr schön und hat mich sehr gefreut.“

In der selben Stadt war dem Mann von Lazio Rom vor ein paar Monaten Ablehnung entgegengeschlagen. Wenige Kilometer entfernt liegt das für das Turnier errichtete Danziger EM-Stadion. Eingeweiht wurde die Arena mit einem Spiel der polnischen gegen die deutsche Mannschaft. Es war sowohl für Podolski als auch für Klose das erste Länderspiel in dem Land, in dem sie geboren wurden, der eine, Podolski, 1985 in Gleiwitz, der andere, Klose, 1978 in Oppeln. In der Wahrnehmung der Polen trennen die beiden bisweilen Lichtjahre. Deshalb feierten die Menschen an jenem Abend im September Podolski – und pfiffen Klose aus.

Poldi sagt lustige Dinge

In den polnischen Zeitungen, besonders in den Boulevard-Blättern, werden die Stürmer vollkommen unterschiedlich skizziert. Es ist ein medialer Indizienprozess, in dem es heißt: in dubio pro Poldi. Weil Podolskis Art die Vorlieben des Boulevards bedient. Er sagt lustige Dinge: „Wir müssen jetzt die Köpfe hochkrempeln. Und die Ärmel auch.“ Er ist ein offener Mensch, der sich im durchbürokratisierten Fußball-Business Bolzplatz-Rhetorik erhalten hat. Podolskis Welt ist nicht kompliziert. Er ist Familienvater, hat fast 100 Länderspiele, ist aber der lustige Poldi geblieben, im positivsten aller Sinne. „Fußball ist einfach: Rein das Ding und ab nach Hause.“ Man muss ihn mögen.

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Dazu hat man sich in Polen auch schnell entschlossen. Eilig wird festgehalten, dass der künftige Stürmer des FC Arsenal sich häufig und gern in Polen aufhält, dass er Fan von Gornik Zabrze ist, wo er seine Karriere beenden will, dass er mit Journalisten polnisch spricht und dass er sich in einem Dörflein nahe seiner Heimat kirchlich hat trauen lassen. Und vor allem, dass er auch gern für die polnische Nationalmannschaft aufgelaufen wäre – wenn ihn jemand gefragt hätte, als das noch möglich war.

Klose singt die deutsche Nationalhymne mit

Miroslav Klose hingegen ist ein ruhiger, der Öffentlichkeit gegenüber verschlossener Charakter. Er sagt, dass er sich als Deutscher fühlt, im Gegensatz zu Podolski singt er die Nationalhymne mit. Öffentlich spricht er seltener polnisch. All das gereicht zum Nachteil. Vor dem Danziger Eröffnungsspiel geisterten Zitate von Kloses Vater durch die Presse, in denen der Eindruck entstand, Klose wolle nicht viel mit seinem Geburtsland zu tun haben. Daher die Pfiffe.

Klose sagt, diese Zitate habe es nie gegeben. „Ich habe mich immer zu Polen bekannt und liebe dieses Land wie Deutschland. In Polen wohnen ein Großteil meiner Familie und viele Freunde.“ Nach Polen fährt er, um beim Angeln zu entspannen. Ein Bekenntnis, von dem Klose hofft, dass es ankommt bei den Fans, die Podolski tiefer in ihr Herz geschlossen haben. Bei der EM 2008 schoss Poldi den 2:0-Sieg gegen Polen mit zwei Toren heraus. Den Jubel unterließ er, stattdessen verbarg er sein Gesicht hinter den Händen. Bei der nun beginnenden EM könnten beide Mannschaften wieder aufeinander treffen. Wenn Polen in der Gruppe Erster wird und Deutschland Zweiter, gäbe es ein Viertelfinal-Duell in Warschau. Der Stadt, in der Podolski mit seiner Stiftung den Bau eines Kinder- und Jugendzentrums finanziert.