Danzig. Die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft wohnen seit Montag im Hotel Dwor Oliwski. Das erste öffentliche Training im Stadion von Danzig verfolgten 11.000 Menschen, viele Polen, wenige Deutschland-Fans. Es war eher höflicher Applaus als grassierendes EM-Fieber zu spüren.

Der junge Mann hat die Mütze tief ins Gesicht gezogen und ein Handy in der Hand. Er wartet, wartet auf die Mannschaft. Sie wird gleich ankommen im Dwor Oliwski, dem Quartier der deutschen Fußballer. An diesem Ort sollen die Harmonie, der Wille und das spielerische Vermögen entstehen, um bei dieser Europameisterschaft ein Stückchen Unendlichkeit zu erlangen durch den ersten Titel seit 16 Jahren. „Das“, sagt Bundestrainer Joachim Löw, „ist die wichtigste Woche der ganzen Vorbereitung.“

Es ist ein friedlicher Ort, dieser ehemalige Gutshof aus dem 17. Jahrhundert. Reet bedeckt das Fachwerk, eine parkähnliche Anlage umgibt diese Oase der Ruhe, hinter dem Wintergarten plätschert leise ein Bächlein vor sich hin und rinnt in einen kleinen See, auf dem lautlos Enten schippern. Das "Tal der Freude" wird dieser Teil von Danzig genannt, weil sich an seinen Rändern die Wälder wie ein Schutzwall gegen den Lärm der Großstadt erheben. Wenn man sich konzentriert und der Wind günstig steht, so heißt es, dann könne man das Trompeten der Elefanten im nahe gelegenen Zoo hören. Der Wind steht schlecht, einzig das Zwitschern der Vögel unterbricht die Stille. Idylle. Jetzt: Gut beschützte Idylle.

Sondergenehmigung für Einlass ins DFB-Gelände erforderlich

Rundherum sind Gitterzäune errichtet, riesige Banner werden daran fixiert, damit auch wirklich niemand auf das Gelände lugt, um einen von Jogis Jungs beim Spaziergang zu beobachten. Die einzigen, die das tatsächlich könnten, sind die Polen, die direkt nebenan ein Stückchen botanisches Glück in Form einer Schrebergartenparzelle besitzen. Mit einer Sondergenehmigung gelangen sie auf das ansonsten hermetisch abgeriegelte Areal. Sie wässern ihre Narzissen und ziehen sich den Reißverschluss der Jacke bis unters Kinn. Frisch ist der Wind, der immer wieder in die polnische und deutsche Fahne packt, die vor dem Hoteleingang gehisst sind.

Auch dort sind Wachmänner postiert. Sie tragen gelbe Westen, grobstollige schwarze Stiefel und vor allem tragen sie kein Lächeln im Gesicht. Je näher man dem Hotel kommt, desto weniger. Der Glatzkopf ist dem Hotel sehr nah, er raucht, den Qualm presst er durch einen dünnen Schlitz zwischen seinen Lippen, die grimmigen Runzeln auf seiner Stirn ergeben eine unmissverständliche Botschaft: Lass es, egal was, lass es einfach!

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Kylie Minogue und Rod Stewart waren im Dwor Oliwski

Es sind nicht viele, die diese Botschaft zu lesen bekommen, weil es nicht viele sind, die die Ankunft der deutschen Mannschaft sehen wollen. Das liegt vielleicht daran, dass man dort im Örtchen Oliwa bekannte Namen gewohnt ist: Musikgrößen wie Kylie Minogue und Rod Stewart haben bereits im Dwor Oliwski genächtigt, immer wieder auch polnische Polit-Prominenz. Jünger der Jogi-Jungs? Keine zu sehen. Die Schrebergärtner wären auch so hier, die paar Radfahrer sind durch das Blaulicht der Polizei angelockt stehen geblieben. Nur der junge Mann mit seinem Handy will sie sehen, die Deutschen.

Sie kommen um kurz vor 16 Uhr. Sieben Autos bilden den Begleitschutz für den Mannschaftsbus, der so schnell verschwindet wie er gekommen ist. Vorne sitzt Co-Trainer Hansi Flick, hinter den verdunkelten Seitenscheiben ist Mats Hummels zu erahnen, wie er sich seine Frisur am Glas plattdrückt - schläft vielleicht. Gegenüber des Hotels steckt eine ältere Frau ihren Kopf aus einem absurd kleinen Dachfenster und schwenkt die polnische Fahne.

Erbeerkuchen für Geburtstagskind Podolski

Am Hotel gibt’s Erdbeerkuchen für Lukas Podolski, der hat Geburtstag, wird 27. Kurz danach geht es zum öffentlichen ersten Training in Danzig. 11.000 Menschen sind im Stadion, viele Polen, wenige Deutschland-Fans. Es ist eher höflicher Applaus als grassierendes EM-Fieber zu spüren. Aber für Podolski, den gebürtigen Polen, singen sie ein Geburtstagsständchen.

Der junge Mann mit dem Handy in der Hand ist zu diesem Zeitpunkt längst zurück in seinem Dorf. Zu Fuß war er gekommen, zu Fuß ist er fortgegangen. Das Handy stets in der Hand. Darauf: ein Foto von einem vorbeifahrenden Bus.