Danzig. . In Bundesliga und Pokal haben Dortmunds Fußballer die Kollegen vom FC Bayern München zuletzt regelmäßig klar in den Schatten gestellt. Aber vor dem EM-Auftakt haben sie bei Bundestrainer Joachim Löw trotzdem schlechte Karten. Der wird am Samstag gegen Portugal vermutlich sechs Bayern auflaufen lassen und keinen Dortmunder.

Wenn die Sachlage nicht so unerfreulich wäre, könnte sich Jürgen Klopp sogar mit einem Gefühl der Befriedigung in die Couchkissen kuscheln. Ja, der Trainer von Borussia Dortmund, der den Sommer diesmal nicht als Fußballinterpret vor Mikrofonen verbringen wird, hatte Recht. Damals, im Herbst 2011, als er behauptet hat, absolut niemand da draußen würde sich irgendwann später daran erinnern, wie die Ergebnisse des BVB in der Gruppenphase der Champions League zustande kamen. Niemand da draußen würde sich irgendwann später daran erinnern, dass dieses frühe Aus nicht allein, aber vor allem eingeleitet wurde durch schlichtes Unglück, durch ein bisschen Pech zu viel.

Ohne Dortmunder gegen Portugal

Irgendwann später ist: jetzt. Kurz vor dem Start in die EM. Und die Sachlage ist: Niemand außerhalb des schwarzgelben Lagers erinnert sich daran. Für die vier Borussen, die der Bundestrainer berufen hat, bedeutet das: Ihr Schicksal erregt zwar Aufmerksamkeit, aber es ist eine zurückhaltende Aufmerksamkeit. Keine Aufmerksamkeit, die sich in der Öffentlichkeit kraftvoll Bahn bricht, wie es sonst mit dieser Reputation im Kreuz wäre: Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Mario Götze und Ilkay Gündogan sind Kernspieler des Meisters und Pokalsiegers. Sie waren wertvollste Mitglieder des Ensembles, das die Bayern zuletzt fünf Mal in Folge bezwungen hat. Und? Sechs Namen von Bayern wird Joachim Löw wohl vor dem Auftakt gegen Portugal auf dem Aufstellungsbogen notieren: Manuel Neuer, Philipp Lahm, Jerome Boateng, Holger Badstuber, Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und vermutlich auch Mario Gomez. Aber keinen Namen eines Dortmunders.

Irritationen bei den Borussen

Bei den Interessensvertretern der Borussia sorgt das für Irritation. Sportdirektor Michael Zorc hat gerade im „Kicker“ bestimmt, Hummels sei „der beste Innenverteidiger“. Der Bundestrainer hat jedoch Begründungen geliefert für seine Art der Selektion des Personals. Zusammengefasst: Auf den gebirgigen Pfaden, auf denen wir unterwegs sind, wiegt Erfahrung schwer. Internationale Erfahrung. Internationaler Erfolg mit Verein und nationaler Auswahl. Und Löw lobt zwar Klopps Musterschüler gern, findet bei Gündogan dessen „Positionsgefühl gut“, bezieht Hummels ein, wenn er verkündet: „Ich bin glücklich, dass ich drei so Klasseleute in der Innenverteidigung habe“, doch: Gündogans Rolle bei der EM wird absehbar eine kleine sein. Und die von Hummels?

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Sollte Per Mertesacker beim Training in Danzig überzeugend demonstrieren können, dass er seine verletzungsbedingten Defizite überwunden hat, wird der Arsenal-Mann als Nationalelf-Führungsspieler neben dem Bayern Holger Badstuber auf der bedeutenden Bühne den ersten Auftritt absolvieren. Und Überflieger Hummels würde die Rolle des unsichtbaren Dritten zufallen. Dabei hat der doch a) den Charaktertest im Nominierungsvorfeld bestanden. Der Bundestrainer berichtete im Camp in Südfrankreich: alles geschehen, bevor wir aufgebrochen sind. Und b) bemüht er sich trotz diverser Frusterlebnisse immer noch auffällig darum, die leisen Töne zu treffen, die Töne, die im elitären Kreis die guten Töne sind. „Keinen Führungsanspruch“ hege er, hat Hummels erklärt: „Mein Ziel ist es, so viel wie möglich zu spielen.“

Den Spaniern spanisch kommen

Lounge-Musik statt Death-Metal. Das reicht aber noch nicht, um auf den Rasen zu gelangen. Der Bundestrainer hat eine Vision davon, wie der Deutsche ausgestattet sein müsse, um im Gebirge überleben zu können, da, wo vielleicht schon wieder der Spanier auftauchen wird. Beim Spanier handelt es sich ja um den bösen Geist, dem Löw ständig begegnet. Im Finale der EM 2008, im Halbfinale der WM 2010 ebenfalls. Beide Male ist das deutsche Team am spanischen Hyperkombinationsfußball gescheitert.

Löws Schluss lautet grob: Wir müssen den bösen Geist mit seinen eigenen Mitteln austreiben. Mit Spielern, die in ihren großen Vereinen größer und größer geworden sind, die das Spanische fließender beherrschen als der Spanier. Auf dem Platz. Götze, der es sicher könnte, war lange verletzt. Vor Gündogan steht Klasse. Bei Mats hängt alles an Merte. Schmelzer hat beim 3:5 gegen die Schweiz versagt. Könnte aber sein, dass es Marco Reus im Laufe des Turniers schafft, der Neu-Dortmunder. Er erfüllt alle Ansprüche. Und aus der Königsklasse ist er, wenn die Erinnerung nicht trügt, mit Gladbach auch nicht früh ausgeschieden.