Essen. Fußball für die Ohren: Erstmals kommentierte eine Frau für die ARD das Endspiel einer Fußball-EM im Radio. Warum gab es das nicht früher schon?

Es soll Leute geben, die das Radio in Zeiten von bewegten TV- und Streamingbildern nicht mehr als zeitgemäß empfinden. Dabei hat eine Radio-Reportage durchaus ihren Charme, wie die Bundesligakonferenz des WDR seit Jahrzehnten beweist. Nicht nur aus Nostalgiegründen hat sie noch immer eine treue Anhängerschaft. Während das Finale der Fußball-EM zwischen Italien und England am Sonntagabend im TV beim ZDF zu sehen war, gab es bei der ARD auf die Ohren. Das Finale lief bei sportschau.de und WDR-Event als Vollreportage. Nicht in Bildern, nur in Worten. Es gab keine kurzen Pausen, keine Phasen des Schweigens, um die Bilder für sich sprechen zu lassen. Doch auch hier traf Luke Shaw in der zweiten Minute für England, auch hier blieb Italiens Jorginho nach 22 Minuten mit schmerzverzerrtem Gesicht und überstrecktem Knie liegen. Bonucci traf dort ebenfalls zum Ausgleich, bevor die Partie im dramatischen Elfmeterschießen entschieden wurde. Auch hier wurde Italien Europameister.

Radio ist Kopfkino, und das lief bei der der Final-Übertragung auf der geistigen Großbildleinwand. Verantwortlich dafür: das Duo Julia Metzner und Holger Dahl. Um Julia Metzner wurde vor dem Endspiel hierzulande fast so viel Bohei gemacht wie um die beiden Finalisten selbst. War die 47-Jährige doch auserkoren, als erste Frau für die ARD das Endspiel eines großen Turniers im Radio zu kommentieren. Eine Final-Reporterin bei WM oder EM gab es in Deutschland zuvor nur im Privatradio. Ein weiteres „erstes Mal“ bei dieser EM, nachdem in Almuth Schult bereits die erste Expertin bei einer Männer-EM im Einsatz war – und voll überzeugte.

Metzner hat sich das Finale verdient

Auch interessant

Das tat auch Julia Metzner. Was nicht groß überrascht. Seit vielen Jahren berichtet sie als Rundfunk-Journalistin über die Fußball-Bundesliga, zunächst beim NDR, derzeit beim SWR. Metzner macht in der Bundesliga-Konferenz einen guten Job, und so hatte auch ARD-Teamchef Steffen Simon bei der Vorstellung der Endspiel-Kommentatoren betont: „Sie hat dieses Finale verdient.“ Vollkommen selbstsicher und unaufgeregt legte Metzner auch los. Das Zusammenspiel mit Holger Dahl funktionierte, beide gaben einander Raum für Spielbeschreibungen. Wie zwei gut aufeinander abgestimmte Tanzpartner wirbelten sie wortgewandt durch die Partie.

Der Duktus: typisch Radio. Das erste „Tooooor“ fällt bereits nach wenigen Sekunden für England, in der zweiten Halbzeit „gleiiiiiiiicht Italiiiiiien aus“ durch „Leonardooooo Bonuuuuuucci“. Am Ende ist "Itaaaalien Euroooopaaaameister". Es gibt keinen Rasen zu sehen und keinen Ball. Doch die Zuschauer sind zu hören, das Pfeifen und das Johlen im Wembley-Stadion. Selbst ohne TV-Bilder kann man sich das Geschehen durch die Beschreibungen des Duos bestens vorstellen. Keine Holprigkeiten, flüssige Überleitungen, fundierte Szenenbeschreibungen, ein bisschen Blödelei zwischendurch - keine Frage, Julia Metzner und Holger Dahl hätten an diesem Abend auch im TV überzeugt. Eine Fernsehübertragung mag zeitgemäßer sein - doch eine stimmige Radioreportage wie diese hat auch ihren Charme.