Rom. Nur 1,63 Meter groß, doch fußballerisch ein Riese. Linksverteidiger Lorenzo Insigne ist aus der Squadra Azzurra nicht wegzudenken.
Es ist ja nicht so, dass Italien kein Land der Stürmer wäre. Luca Toni, Filippo Inzaghi, Alessandro del Piero, Roberto Baggio oder Toto Schillaci, der die Nation bei der Heim-WM 1990 verzauberte – alles klangvolle Namen. Und natürlich Gigi Riva, weiter Rekordtorschütze der Squadra Azzurra mit 35 Treffern in nur 42 Spielen. Dass es keiner seiner Nachfolger bisher geschafft, diese Marke zu knacken, mit viel mehr Einsätzen obendrein, bestätigt den Eindruck, dass Italien bisher doch mehr ein Land der Verteidiger war.
Das ist es zwar noch immer mit Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci im Abwehrzentrum. Die haben gegen die harmlosen Türken im Eröffnungsspiel dieser Europameisterschaft kaum Chancen zugelassen und werden auch die Angriffe der Schweizer, an diesem Mittwoch (21 Uhr/ARD) im zweiten Vorrundenspiel der Gruppe A in Rom, mit all ihrer Routine vom eigenen Tor fernzuhalten versuchen.
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Allerdings redet davon kaum jemand im Moment. Der Star ist die Offensive mit Domenico Berardi (US Sassuolo), dem ehemaligen Dortmunder Ciro Immobile (Lazio Rom) und vor allem Lorenzo Insigne, dem quirligen Linksaußen vom SSC Neapel.
Mancini: Insigne am wenigsten ersetzbar
Mit seinen 1,63 Metern ist er zwar der kleinste Spieler des EM-Turniers, doch fußballerisch ist er ein Riese. Für Nationaltrainer Roberto Mancini ist der 30-Jährige „fundamental“ wichtig, wie er vor der Europameisterschaft sagte, weil er die „Nahtstelle zwischen Angriff und Mittelfeld“ sei.
„Er ist der am wenigsten ersetzbare Spieler.“ Vermutlich erkennt sich Mancini in Insigne selbst ein bisschen. Er hatte damals in den Neunzigerjahren zwar eine zentrale Position hinter den Spitzen gespielt und war auch eine Spur eleganter als der dynamische Insigne. Aber sie haben einen vergleichbaren Stil, eine ähnliche Art, das Spiel zu zelebrieren.
Die Stärke der Mannschaft sei „die Gruppe“, sagte Insigne nach dem 3:0 gegen die Türkei, bei dem er den Treffer zum Endstand erzielte. „Es gibt keine Besitzansprüche. Jeder kommt rein und leistet seinen Beitrag.“ Und das alles, weiß er, habe man dem Trainer zu verdanken.
Insigne über seine Kindheit: „Fußball hat mich gerettet“
Auch dass er selbst doch noch die Rolle in der Nationalmannschaft spielt, die einige schon viel früher erwartet hatten. Zwar gab Insigne 2012 bereits sein Debüt, aber bisher kam er erst auf 42 Länderspiele. Nicht nur in der Squadra Azzurra hatte er auf dem Weg nach oben ein paar Klippen zu meistern.
Aufgewachsen in einem Vorort von Neapel, einem sozialen Brennpunkt, habe ihm der Fußball „den Weg vorgegeben“, erzählte er einmal. „Fußball hat mich gerettet.“ Mit 15 spielte er zum ersten Mal im Nachwuchs seines Herzensvereins SSC Neapel, vier Jahre später stand er erstmals im Profikader. Aber der Sprung in die erste Mannschaft war zu groß.
Wie Insigne, Immobile und Veratti für Furore sorgten
Der Verein verlieh ihn, zunächst an Cavese und dann an Foggia. Von dort holte ihn der tschechische Zdenek Zeman zu Pescara in die zweite Liga. In dem Klub aus der Stadt in den Abruzzen traf er zum ersten Mal in seiner Karriere auf Immobile und auf Marco Verratti. Beide sollten mit Insigne knapp zehn Jahre später eine wichtige Rolle in der Nationalmannschaft spielen.
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In Pescara sorgten die Drei 2012 für Furore, holten die Meistertitel in der Serie B und damit den Aufstieg. Anschließend ging Immobilie nach Genua, Verratti zu Paris St.-Germain und Insigne zurück nach Neapel, wo er sich etablierte. Mittlerweile ist er Kapitän. Allerdings hatte es zuletzt ein paar Irritationen über eine mögliche Verlängerung des 2022 auslaufenden Vertrags gegeben. Er wolle noch vor Beginn der nächsten Saison Klarheit, hieß es in italienischen Medien.
Neapel hat ihm laut Corriere dello Sport ein Fünfjahresvertrag mit 3,5 Millionen Euro Jahresgehalt angeboten, das Insigne aber abgelehnt haben soll. Die Angelegenheit ist vertagt bis nach dem kontinentalen Turnier. Insigne hat in diesen Wochen erst einmal Wichtigeres zu tun: die italienische Nationalmannschaft zum ersten EM-Titel seit 1968 zu führen.