Budapest. Der Abwehrchef der ungarischen Nationalmannschaft spielt in der Bundesliga für RB Leipzig: Willi Orban. Er ist Abwehrspezialist - und Torjäger.

Der Bundesligaprofi aus der Pfalz spielt eine interessante Doppelrolle. Vilmos Orbán, Defensivmann bei RB Leipzig, ist Abwehrchef und Torjäger. Der 28-jährige Leipziger hat neben seinen Qualitäten im Verteidigen in seinen 20 Länderspielen für Ungarn seit 2018 fünf Tore erzielt; mehr sind in der Ära des aktuellen Trainers Marco Rossi nur Kapitän Ádám Szalai gelungen, nämlich 8.

Kaum jemand nennt den in Kaiserslautern geborenen Orbán mit seinem kompletten Vornamen, der identisch ist mit dem seines ungarischen Vaters. Die Ungarn verniedlichen „Vilmos“ gern zu „Vili“ und das klingt genauso wie „Willi“. Seine Mutter ist Deutsche, Willi spielte auch in der deutschen U21-Nationalelf, spricht wesentlich besser Deutsch als Ungarisch. „Aber für die Kommandos auf dem Spielfeld reicht es“, sagt er. „Die nötigen Vokalen hat mir Peter Gulácsi an die Hand gegeben.“ Torwart Gulácsi ist sein Klubkamerad in Leipzig.

Der beste Leipziger Ungar fehlt

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Von Kai Schiller und Sebastian Weßling

Der wohl beste Leipziger Ungar allerdings fehlt bei diesem Turnier: Dominik Szoboszlai, ein technisch versierter, spritziger Mittelfeldmann, der aber seit letztem Dezember verletzt ist. Wenige Wochen vorher schoss Szoboszlai die Magyaren im letzten Moment zu dieser Euro. In der Nachspielzeit des entscheidenden Play-off-Spieles gegen Island schnappte er sich in der eigenen Hälfte den Ball, trieb ihn im Sprinttempo Richtung Tor und traf aus 20 Metern mit einem Flachschuss. Vom Innenpfosten ging der Ball ins Tor und ein ganzes Land geriet in Ekstase. „Der Spielverlauf war ein Wahnsinn. Nach dem Rückstand eine Achterbahnfahrt der Gefühle,“ erinnert sich Willi Orbán. „Am Ende Gott sei Dank mit Glücksgefühlen.“

Glücklich war auch der ungarische Auftritt bei der letzten Europameisterschaft in Frankreich, ihrem ersten Turnier seit 1986. Ungarn, nach dem zweiten Weltkrieg Weltklasse und auch Rekord-Olympiasieger (dreimal), überstand 2016 die Vorrunde mit dem in Herne aufgewachsenen Trainer Bernd Storck ungeschlagen, spielte 3:3 gegen den späteren Europameister Portugal und schied im Achtelfinale gegen Belgien (0:4) aus. „Portugal ist noch stärker geworden“, findet Ádám Szalai, der Mainzer und frühere Schalker, vor dem erneuten Aufeinandertreffen in Budapest (morgen/heute …). „Man sehe sich nur Namen an wie Diego Jota, Bernardo Silva und Bruno.“ Besonders der portugiesische Angriff nötig ihnen Respekt ab. Orbán: „Für uns wird es wichtig sein, dass wir in der Defensive eine gute Ordnung finden, um die Offensivspieler zu bändigen und dann versuchen, eigene Chancen zu kreieren.“

Seit zehn Länderspielen ungeschlagen

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Die Ungarn, seit 2018 vom Italiener Rossi trainiert, sind seit zehn Lä nderspielen ungeschlagen. Obwohl Außenseiter in der Gruppe mit Deutschland, Frankreich und Portugal „haben wir die Möglichkeit Geschichte zu schreiben“, sagt Willi Orbán. Er spricht immer sehr ruhig und emotionsarm, formuliert aber auch relativ knackig: „Wir wollen nicht die weiße Flagge hissen.“

Im Kollektiv sieht der facettenreiche Fußballprofi, der Abitur hat und Violine spielt, die ungarische Stärke, in Kompaktheit und Umschaltspiel. Orbán trägt dazu mit Tugenden der deutschen Fußballlegenden Beckenbauer, Schwarzenbeck und Gerd Müller bei. Der Leipziger hat ein Auge für Spielaufbau und Vorbereitung, gegen Augsburg hatte er mal mehr Ballkontakte in der ersten Halbzeit als die ganze Elf des Gegners, ist hart im Zweikampf und im gegnerischen Strafraum teilweise ein klassischer Abstauber. Gegen Aserbaidschan hat er einen ins Tor trudelnden Ball aus wenigen Zentimetern mit dem Knie über die Linie gedrückt.

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Standardsituationen liegen Willi Orbán besonders, auch in der Bundesliga. In beiden Spielen dieser Saison gegen Schalke traf er nach einem Eckstoß per Kopf.