Lyon. . Das Halbfinalspiel Portugal gegen Wales ist auch das Duell der Real-Madrid-Stars Ronaldo und Bale. Bisher hat jedoch nur der Waliser alle Erwartungen übertroffen. Grün sind sich beide ohnehin nicht.
Ist es eigentlich ausreichend, dass am Mittwoch im Parc Olympique Lyonnais nur eine dieser wie von Geisterhand gesteuerten Kameras schwebt, die sich scheinbar schwerelos durch die Luft bewegt?
In allen EM-Arenen hängt an einer Seilkonstruktion eine sündhaft teure Technik, um aus der Vogelperspektive das Geschehen einzufangen und bei Bedarf bis auf Kopfhöhe einzelner Figuren runterzufahren. Fragt sich nur, welcher Superstar denn gerade computergestützt zu verfolgen ist: Cristiano Ronaldo? Oder doch Gareth Bale?
„Schlacht der Giganten“
Keine Partie verdichtet sich so sehr auf zwei Protagonisten wie das Halbfinale heute zwischen Portugal und Wales (21 Uhr/ARD). Sogar die Uefa entwarf ein Ankündigungsplakat, in dem diese beiden sich grimmig anblicken – eingehüllt in ihre Nationalflaggen. Kräftemessen der Megastars, Schlacht der Giganten, King-Kong-Duell – in Zeiten des Personenkults scheint jede Überhöhung erlaubt. Auf der einen Seite schauen die einen zur „CR7“, Ronaldos Initialen inklusive Trikotnummer, auf der anderen auch in Ermangelung namhafter Alternativen zur Nummer elf, eben Bale.
Als vergangenen Freitag mit der Sensation der Waliser gegen Belgien (3:1) die Begegnung der Vereinskameraden von Real Madrid besiegelt war, wartete alles auf Bale.
„Es ist das Spiel Portugal gegen Wales – mehr nicht“, meinte der Zopfträger, der ansonsten keine Lust verspürte, das Thema zu vertiefen. Auch aus dem Trainingscamp in Dinard, wo Bale sich einen Tag extra Erholung gönnen durfte, hieß es nur: „Es geht nicht um zwei Spieler, es geht um zwei Nationen, elf Mann gegen elf Mann.“
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Der gelobte Kollege gab ebenfalls keine erhellenden Beiträge zur überwölbenden Causa ab. Ronaldo verbreitete über soziale Netzwerke lieber ein Foto von sich auf dem Trainingsplatz. „Preparation“, Vorbereitung, hieß es lapidar darunter.
Die prägendere Figur dieses Turniers ist bislang der Waliser. Einer der wenigen Weltstars, der die Erwartungen übertroffen hat. Vielleicht, weil er sich einfach vom besonderen Teamspirit tragen lässt.
Die Statistik: Bale schoss öfter aufs Tor als Ronaldo (13:10), ging häufiger ins Dribbling (33:9), setzte mehr Flanken zum Mitspieler ab (10:1) und mehr Tacklings ein (8:1). Teamplayer gegen Egoshooter – das trifft es bestens.
Bale braucht noch nicht einmal die Kapitänsbinde – die hat der wackere Verteidiger Ashley Williams am Arm –, um als Leader voranzugehen. „Natürlich ist er der, der die spektakulären Tore macht, aber für uns ist er viel mehr“, sagt Wales‘ Nationalcoach Chris Coleman, der einem Idol (60 Länderspiele/22 Tore) alle Freiheiten gibt.
Der 73 Kilo leichte Sprinter betreibt einen Pendelbetrieb zwischen Sturm, Mittelfeld und Flügel. Damit ist er mit seiner atemberaubenden Geschwindigkeit bestens ins Geschehen eingebunden. Dummerweise fehlt ihm nun mit dem gesperrten Aaron Ramsey der wichtigste Verbindungsmann im Team. Trotzdem kann Bale jetzt viel gewinnen – und Ronaldo nur verlieren.
Bale ist kein Unterwäscheverkäufer
Privaten Kontakt gibt es zwischen Bale und Ronaldo kaum, wie Bale-Berater Jonathan Barnett einmal verriet: „Sie gehen sicher nicht jeden Abend zusammen essen, aber es gibt keinen Hass.“
Diese Bemerkung aber musste noch sein: „Ich glaube nicht, dass Gareth das beste Model der Welt oder der beste Unterwäscheverkäufer sein möchte. Das ist er einfach nicht.“ Das ist dann doch Ronaldo. Vielleicht entscheidet sich die Skycam deshalb auch eher für ihn.