Paris. . Der ehemalige französische Nationalspieler Bixente Lizarazu spielte einst für Bayern München. Ein Interview über die Stimmung im Land, über sein Team und die deutsche Mannschaft.

Es wird ernst. Freitag (21 Uhr/ZDF/live in unserem Ticker) eröffnet Gastgeber Frankreich mit seinem Vorrundenspiel gegen Rumänien die Fußball-Europameisterschaft. Bixente Lizarazu (46) wird ganz genau hinsehen. Im Interview spricht der Weltmeister von 1998 sowie Europameister des Jahres 2000 und ehemalige Spieler des FC Bayern München Klartext: über seine Ängste vor Anschlägen während der Europameisterschaft, über seine Erwartungen an die französische Nationalmannschaft – und über sein Traum-Finale.

Herr Lizarazu, wie ist momentan die Stimmung in Frankreich?

Bixente Lizarazu: Sie war schon mal besser. Zuletzt gab es Hochwasser, diverse Streiks und die Angst vor neuen Anschlägen. Wir hoffen natürlich alle, dass die Organisation bei der Europameisterschaft reibungslos verlaufen wird. Diese EM wird dann ein Erfolg, wenn wir nur über die Leistungen der jeweiligen Teams sprechen. Uns ist allen bewusst, dass Anspannung herrscht und dass viele Leute Angst haben, ins Stadion zu gehen. Aber es ist wichtig, weiter so zu leben, wie wir es möchten.

Sie werden viele Spiele für das französische Fernsehen kommentieren. Werden Sie beunruhigt sein, wenn Sie ins Stadion gehen?

Bixente Lizarazu: Wir müssen ja mit der Angst leben. Es geht nicht anders. Ich hoffe auch, dass alle Spiele ausverkauft sein werden.

Ist die Stimmung rund um die französische Nationalmannschaft zumindest besser?

Bixente Lizarazu: Die ist hervorragend. Natürlich gab es zuletzt viel Unruhe durch Provokationen von außen, aber ich habe zuletzt die Mannschaft besucht, und sie ist auf das rein Sportliche fokussiert.

Ist das der Verdienst von Nationaltrainer Didier Deschamps?

Bixente Lizarazu: Klar hat er dabei eine tragende Rolle gespielt. Für Frankreich ist er der ideale Trainer: Er ist von allen akzeptiert. Sein Wort hat Gewicht. Er hat dafür gesorgt, dass der Fußball wieder populärer wird, nachdem es von 2010 bis 2014 schlecht aussah. Durch seine große Erfahrung als Spieler und nun als Trainer weiß er mit Problemen umzugehen. Das ist seine große Stärke. Er findet immer eine Lösung und hat einen Plan.

Wie weit wird Frankreich kommen?

Bixente Lizarazu: Die Bleus haben das Potenzial, in das Halbfinale des Turniers einzuziehen. Das sollte auch als Gastgeber das Minimalziel sein. Aber um Europameister zu werden, fehlt, so glaube ich, noch ein Stück Erfahrung und Reife.

Welche französischen Spieler könnten für die Überraschung sorgen, die wir noch nicht unbedingt auf der Rechnung haben?

Bixente Lizarazu: Bayerns Kingsley Coman gefällt mir ganz gut. Nicht nur in München hat er starke Spiele gezeigt, sondern auch mit der Nationalmannschaft. Er ist erst 19, aber er spielt mit viel Unbekümmertheit und Spontaneität. Aber werfen Sie auch ein Auge auf Dimitri Payet. Er ist technisch sehr stark, schießt unglaubliche Freistöße und hat genug Potenzial, um eine tragende Rolle zu spielen.

Wer wird Europameister?

Bixente Lizarazu: Spanien und Deutschland sind in meinen Augen die haushohen Favoriten.

Warum Deutschland?

Bixente Lizarazu: Vor ihrem Triumph in Brasilien hatte die Mannschaft immer eine Blockade, wenn sie im Halbfinale oder im Finale antreten musste. Sie hatte immer gut gespielt, aber nie gewonnen. Nun ist sie durch den Sieg gegen Argentinien im Maracana definitiv gelöst. Deutschland hat eine Goldene Generation, die noch einiges vorhat.

Vieles dreht sich momentan um Bastian Schweinsteiger. Sie kennen ihn gut aus Ihrer Zeit beim FC Bayern. Glauben Sie, dass er noch in der Lage ist, erneut sein Top-Niveau zu erreichen?

Bixente Lizarazu: Klar hatte er in dieser Saison mit mehreren Verletzungen zu kämpfen, aber ich hoffe, dass er sein altes Niveau erreichen wird. Im WM-Finale war er der Held. Ich finde es wunderbar, dass ihm Löw weiterhin sein Vertrauen schenkt. Durch die WM hat er einen hohen Kredit. Schweinsteiger kann es packen.

Welches Image hat eigentlich Joachim Löw in Frankreich?

Bixente Lizarazu: Wer zehn Jahre Bundestrainer ist, muss ja was drauf haben. Dank seiner Methoden und seiner Entscheidungen hat Deutschland mittlerweile ein extrem positives Bild überall auf der Welt. Früher waren die Deutschen vor allem erfolgreich dank ihrer Robustheit und ihre Kampfkraft, nun können sie auch attraktiv spielen. Was will man mehr?

Welches Traum-Finale würden Sie am 10. Juli am liebsten kommentieren?

Bixente Lizarazu: Ich hätte nichts gegen ein Finale Frankreich gegen Deutschland, meine Heimat gegen das Land, in dem ich meine schönste Zeit als Spieler im Verein hatte. Dadurch kämen viele Emotionen hoch.