Leverkusen. . Pep Guardiola muss mit ansehen, dass Bayern wegen seiner personellen Probleme im Pokal in Leverkusen nur mit Kampf und Glück weiter kommt.
Am Ende: großes Kino. Dieses Viertelfinale im DFB-Pokal steuert jetzt seinem dramaturgischen Höhepunkt entgegen, Elfmeterschießen zwischen Bayer Leverkusen und Bayern München. Man kennt das ja: 120 Minuten Fußball zählen nicht mehr, alles entscheidet sich mit ein paar Schüssen vom Punkt. Einer wird nachher als Held gefeiert werden, ein anderer ins Trikot schluchzen. Glück, Schicksal, der Torwart, die Latte – wer weiß schon, warum es gleich so und nicht anders herum ausgeht?
Pep Guardiola muss solche Momente aus tiefster Seele verabscheuen. Pep Guardiola setzt sich auf einen wackeligen Klappstuhl und schaut zu. Schaut machtlos zu.
Guardiola zusammen gesunken auf dem Klappstuhl
Zwei Stunden lang war der Spanier wie ein Irrwisch an der Seitenlinie herumgetobt. Guardiola gibt sich während eines Spiels aus, er lebt mit seinem Team, er steuert, greift ein, weist an. Was muss das eine Kraft kosten. Aus der Nähe betrachtet hat Guardiola den Körper eines Asketen. Auch hier: der Wunsch nach völliger Kontrolle.
Auch interessant
Und dann das Elfmeterschießen: Guardiola sitzt wie in sich zusammen gesunken auf diesem Klappstuhl. Wirkt entrückt, wie ein Regisseur, dem auf einmal nichts mehr zu tun bleibt: Vor ihm rollt der fertige Film ab, und ob das Publikum am Ende jubeln wird, liegt nicht mehr in seiner Hand.
Elfmeterschießen - die Losbude des Fußballs
Wohl deshalb wurde Münchens Kapitän Philipp Lahm gefragt, ob er gesehen habe, wie tiefenentspannt sein Trainer die Entscheidung verfolgt habe. Da konnte sich Lahm ein Lächeln nicht verkneifen: „Sie hätten mal seinen Puls messen müssen, der war nicht tiefenentspannt.“
Wie auch? Guardiola muss in München liefern. Titel holen. Drei sind drin in dieser Saison. Die Meisterschaft ist Formsache, die Champions League dagegen völlig offen. Und im DFB-Pokal hing der Sieg am Mittwoch kurz vor Mitternacht tatsächlich am Elfmeterschießen, an dieser ewigen Losbude des Fußballs.
Nach zwei Stunden hatte es 0:0 gestanden, und Guardiola bekam einen gründlichen Eindruck davon, wie sehr er das Spiel der Bayern gerade verändert hat, verändern musste.
„Ohne Franck und Arjen sind wir nicht dieselbe Mannschaft“, sagte der Trainer später fast entschuldigend. Ohne Ribéry und Robben fehlen den Bayern tatsächlich ihre besten Individualisten, es fehlen die großen Trickser, die Dampfmacher auf beiden Flügeln. Und: Thiago, dieser begnadete Techniker, von dem noch zu reden sein wird, kehrt gerade erst nach langer Verletzung zurück. Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger sind auch noch nicht wieder voll da, es fehlt der immer besser gewordene David Alaba, es fehlt die spanische Wand Javier Martínez. Bayern stößt an seine Grenzen.
Auch interessant
Rot für Thiago?
Das ist eine halbe Weltauswahl, deren Verlust nicht einmal Deutschlands bestes Team verkraften kann. Nicht, ohne an Format zu verlieren. Eingebüßt haben die Bayern im Moment jedenfalls ihr Potenzial, sogar deutsche Spitzenteams wie Leverkusen einfach auszuspielen. Hätte sich München an diesem Pokalabend allein auf spielerische Qualitäten verlassen, stünde Bayer im Halbfinale.
So mussten die Bayern in ein Spiel, in dem oft bis in den Grenzbereich des Erlaubten hinein gekämpft wurde. Spätestens da kommt Thiago ins Spiel: Bayer Leverkusens ehemaliger Manager Rainer Calmund schwärmte, Thiago folge der Ball so treu wie ein Hündchen seinem Herrn. In der Nachspielzeit aber sprang Thiago Leverkusens Stefan Kießling mit einem Tritt an, der Bruce Lee zur Ehre gereicht hätte. Kießling hatte Thiagos Stollenabdrücke auf der Brust und musste ausscheiden, Thiago durfte zur allgemeinen Überraschung auf dem Feld bleiben, weil Schiedsrichter Felix Zwayer Gelb und nicht Rot zeigte.
Thiago verwandelt
Der Münchener entschuldigte sich sofort, dann noch einmal während des Elfmeterschießens und schließlich auch noch nach der Partie bei Kießling. Nicht einmal der „Kies“ wollte ihm am Ende Absicht unterstellen. Trotzdem entschied diese Szene in der Folge die Partie: Für Kießling kam Josip Drmic, der als einziger Spieler im Elfmeterschießen nicht traf. Manuel Neuer hatte ohnehin einen großen Abend, dann hielt er auch noch den nicht schlecht geschossenen Ball von Drmic.Und kein anderer als Thiago verwandelte den letzten Elfer für die Bayern. Helden hier, Trikotschluchzer dort.
Leverkusen sagt man nach, es verliere jedes entscheidende Spiel, und oft gehe es leichten Herzens zur Tagesordnung über. Das wirkte auch diesmal so, dann aber machte Trainer Roger Schmidt den Bayern doch noch eine Kampfansage auf Sicht: „Wir werden besser und wir werden uns eines Tages dafür belohnen.“ Pep Guardiola hat’s wohl schon gewusst, als er auf seinem Regiestuhl saß: Bis auf den Elfer war Bayer diesmal voll im Film.