Istanbul. Den 4:0-Sieg von Borussia Dortmund gegen Galatasaray Istanbul am Mittwoch hat sich der BVB mit harter Arbeit verdient. Diese Art Fußball zu spielen ist zwar seit jeher das Markenzeichen von Klopps Truppe, doch schien sie zuletzt ein wenig verloren gegangen zu sein. Das soll nicht noch mal passieren.
Manchmal staunt man ja, wo man die Dinge wieder findet, die verloren schienen. Die Fußballer von Borussia Dortmund zum Beispiel mussten sich erst an die Grenze zu Asien bewegen, um im Orient zwischen Gewürzbasaren und Minaretten ein ziemlich westfälisches Kleidungsstück zu entdecken: den Blaumann. Die Fußballer hatten ihn beim 4:0-Sieg gegen Galatasaray übergestreift und sich so sehr über seine Funktionalität gefreut, dass ein jeder versprach, das Textil sorgsam im Koffer zu verstauen, damit es auch am Samstag in der Bundesliga gegen Hannover 96 schnell wieder aufzufinden sei. „Wir werden keinen Raum mehr hergeben“, versprach Trainer Jürgen Klopp noch in der Nacht zu Donnerstag und forderte: „Wir müssen jetzt bereit sein für dreckige Siege.“
Klopp-Fußball ist Arbeits-Fußball. Immer gewesen. Mit fanatischer Lauf- und Defensivarbeit machte der Trainer aus einer mittelmäßigen Bundesligamannschaft den europäischen Spitzenklub, den der BVB heute darstellt. Doch zuletzt waren Elemente des für den Gegner unschönen Spiels verloren gegangen. Im festen Willen, sie wiederzuentdecken, verzichtete Klopp sogar auf einen zentralen Baustein seiner Vorstellung von Fußball, in dem sonst offensiv agierende Außenverteidiger das Spiel mit anschieben: Mit Sokratis aber beförderte er einen dritten Innenverteidiger in die Viererkette. Bei möglicherweise niemandem in ganz Europa, sieht Fußball so sehr nach Arbeit aus wie bei dem grimmigen Griechen. Die Botschaft der Rochade: Ästhetik ist nichts, Wucht ist alles.
Hummels wäre ein Sieg gegen Hannover lieber
Und so traten an diesem Abend am Bosporus erstaunliche Neigungen zu Tage. Marco Reus hatte ein Tor erzielt, bei dem die Flugbahn des Balles Fußball-Europa durchaus zu verblüffen vermochte. Neven Subotic, Mannschaftskollege aus der Abteilung innere Sicherheit, fand das Tor auch hübsch. Aber noch besser hatte ihm gefallen, dass der filigrane Nationalspieler kurz vor dem Ende der Partie nach hinten geeilt war, um einen gegnerischen Angriff am eigenen Strafraum abzugrätschen. „Für mich als Verteidiger ist so etwas noch geiler“, gluckste Subotic nach dem dritten Sieg im dritten Champions-League-Spiel. Torbilanz: Neun zu null.
Es ist schon erstaunlich, dass die beste Abwehr Europas in Deutschland eine der löchrigsten ist. Die Diskrepanz zwischen dem Bundesliga- und dem Königsklassen-BVB wirft immer mehr Fragen nach dem Warum auf. „Dass man sich auf einen Wettbewerb mehr konzentriert als auf den anderen, das gibt es nicht“, sagt Mats Hummels, der dritte der drei Dortmunder Muskeltiere, „das war die erste Woche in meinem Leben, in der ich mir – wenn ich die Wahl hätte – eher einen Sieg in der Bundesliga als in der Champions League gewünscht hätte. Wenn wir am Samstag nicht gewinnen, dann war das hier nichts wert.“
Klopp fordert vom BVB im schlechtesten Fall ein 0:0
Auch der Trainer weiß das. Das Dortmunder Problem ist aber, dass die Bundesliga-Gegnerschaft für gewöhnlich deutlich destruktiver agiert als die spielversierte europäische Konkurrenz, die dann und wann auch mal Räume bietet. „Wir werden gegen Hannover mutmaßlich nicht 40 Chancen herausspielen. Wenn sich Hannover unsere letzten Ligaspiele anschaut, dürfte bei ihnen der Verdacht nahe liegen, dass es ausreicht, einigermaßen zu verteidigen und darauf zu warten, dass wir den Rest für sie regeln“, sagt Klopp im Hinblick auf die Fehler der jüngeren Vergangenheit und fordert von seiner Mannschaft im schlechtesten Fall ein 0:0. Oder eben einen hässlichen Sieg. Einen, der Geduld erfordert und nach Arbeit aussieht. Der Blaumann scheint ja griffbereit im Gepäck zu liegen.