Hamburg. Die Stadt Hamburg war am Wochenende eine Reise wert. Der Dom, eine riesige Kirmes, hatte berauschende Fahrgeschäfte aufgebaut. Wie auf einer Achterbahnfahrt müssen sich auch die Profis von Borussia Dortmund gefühlt haben.
Die Stadt Hamburg war am Wochenende eine Reise wert. Der Dom, eine riesige Kirmes, hatte berauschende Fahrgeschäfte aufgebaut. Das Kreuzfahrtschiff „Queen Mary” besuchte den Hafen. Und das Radrennen „Cyclassics” zog Tausende Besucher an. Ob BVB-Sportdirektor Michael Zorc seine nach Hamburg gereisten Profis bei einer dieser Veranstaltungen vermutete, ist nicht bekannt. Sicher ist: Beim Erstliga-Spiel in der HSH Nordbank Arena waren sie seiner Meinung nicht. „Wir waren mit dem Kopf nicht bei der Sache. Und auch nicht wirklich auf dem Platz”, schimpfte Zorc nach dem 1:4 der Borussen beim HSV, der vierten BVB-Niederlage in Hamburg in Serie.
Fehlende Präsenz
Die fehlende Präsenz der Dortmunder war vor allem in den Anfangsphase unübersehbar. Nach drei Minuten gingen die energischen Hamburger in Führung. Am Ende einer Dortmunder Fehlerkette drückte Ex-Borusse Guy Demel den Ball ins Netz. Während sich die Hamburger feierten, glich Nelson Valdez aus. Es sollte das einzige Mal bleiben, dass sein Trainer Jürgen Klopp einen erfreuten Veitstanz zeigte.
Denn wenige Minuten später war klar, dass der Treffer nur für die Statistik taugen würde. Der trotz seiner 35 Jahre unermüdliche Dauerläufer Ze Roberto erzielte das 2:1 (10.) mit bezeichnendem Engagment: Aus dem Strafraumgetümmel knallte er den Ball an den Pfosten. Und während die Dortmunder staunten, verdiente er sich Vorlage und Tor, indem er den Abpraller einschob. Paolo Guerrero gelang, nach Vorlage des entfesselt aufspielenden HSV-Neuzugangs Eljero Elia, das 3:1 (12.). 57 000 Zuschauer waren live dabei, als Geschichte geschrieben wurde: Vier Treffer nach nur zwölf Minuten hatte es zuletzt vor 45 Jahren gegeben.
Individuelle Fehler
Allen Toren waren individuelle Fehler vorausgegangen, die man in dieser Häufung beim BVB in der gesamten letzten Rückrunde nicht gesehen hatte. Vor allem die Zuordnungen wurden so sträflich vernachlässigt, dass Jürgen Klopp zum Äußersten griff: Er kramte seinen „Dreckszettel” heraus. „Auf dem stehen die Zuordnungen. Den habe ich für mich in der Tasche, hole ihn nie raus. Die Spieler wissen ja eigentlich Bescheid”, erklärte er.
In Hamburg war das nicht der Fall. Klopp beorderte seine nachlässsigen Abwehrspieler an die Linie, führte deutliche Monologe. Allerdings wäre es zu einfach, nur die Viererkette für das Debakel heranzuziehen. Es war kollektives Versagen der Elf, die letzte Woche den 1. FC Köln dominiert hatte. Das BVB-Mittelfeld sorgte beispielsweise für keinerlei Entlastung. In der Vorwärtsbewegung verloren die Borussen ihre Zweikämpfe gegen wieder und wieder anstürmende Hamburger.
Turbulente zwölf Minuten
Nach den turbulenten zwölf Minuten wurde es zumindest etwas ruhiger. Und kurz nach der Pause wäre Felipe Santana fast der Anschlusstreffer gelungen. Das nächste und letzte Tor erzielte aber Hamburgs Marcus Berg (72.). „Es war ein verdienter Sieg für den HSV. Für mich ist es überraschend, dass wir einen solchen Auftritt hinlegen konnten”, staunte Klopp. Sein Team hatte zuletzt vor einem Jahr beim 1:4 in Hoffenheim eine so hohe Niederlage kassiert. Bruno Labbadia freute sich nach seiner Liga-Heimpremiere als HSV-Trainer über einen Auftritt mit Dominanz und Dynamik. Und „über den Sieg gegen einen Kontrahenten um die internationalen Plätze”.
Wobei man sagen muss, dass die Hamburger, neben Bayern Investitionsmeister der Liga, die Champions League im Auge haben, während für den BVB ein Platz in der Europa League was wäre. Um da nicht frühzeitig den Anschluss zu verlieren, muss sich Dortmund Samstag gegen Stuttgart anders präsentieren.