Dortmund. Mit den Siegen gegen St. Petersburg und den 1.FC Nürnberg hat der BVB die Niederlage beim Hamburger SV fast vergessen lassen. Überschattet wird die erfolgreiche Woche nur von den gewaltsamen Übergriffen auf BVB-Fans in St. Petersburg, schreibt Kolumnist Julian Bräker.

Wer sich am vergangenen Wochenende nach dem 0:3 gegen den HSV entgeistert fragte, ob er denselben BVB auf dem Platz gesehen hatte, wie in der Woche zuvor gegen die Frankfurter Eintracht, der tat dies wohl zu Recht. Mit zwei Siegen bei Zenit St. Petersburg und gegen den 1. FC Nürnberg sieht die Situation eine Woche später schon deutlich besser aus, ist doch das Viertelfinale in der Champions League zum Greifen nah und der zweite Platz in der Bundesliga zurückerobert.

Was aber von der Woche noch mehr hängen bleibt, sind die Eindrücke aus St. Petersburg für diejenigen die dort waren. Ich bin wirklich niemand, der hysterische Weltuntergangsstimmung verbreitet, wenn es rund um ein Fußballspiel mal eine kleine Rauferei gibt. Das Spiel in St. Petersburg sprengte jedoch leider diesbezüglich Grenzen. Mit Galgenhumor sprach ein Betroffener vom inoffiziellen Motto "Echte Hiebe".

Freundliche und aufgeschlossene Petersburger

Ich bin bereits am Sonntag mit Freunden angereist und uns begrüßte eine wunderschöne Stadt, deren Architektur mit der Auferstehungskirche und weiteren Prachtbauten selbst Architekturmuffel beeindruckte. Auch das Nachtleben ließ sich am ersten Abend durchaus sehen, trotz gesalzenen Preisen erlebten wir freundliche und aufgeschlossene Petersburger.

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Die Situation änderte sich schlagartig im Laufe des Montagabends: Noch im Hostel erfuhren wie von den ersten Angriffen auf BVB-Fans. Ins Irish-Pub mit dem (leider) passenden Namen „O’Hooligans“ waren St.-Petersburg-Hools zuerst eingefallen und hatten mit Stühlen um sich geschlagen. Später folgten noch weitere Kneipen, in die zumeist zuerst Späher geschickt worden. In einer anderen Kneipe führte der freundliche Wirt die BVB-Fans in letzter Sekunde durch die Küche heraus, bevor Hooligans in die Kneipe stürmten. Auch wir erlebten in der späteren Nacht noch, wie ein mutmaßlicher Späher in unsere Kneipe kam und durchzählte, wie viele BVB-Fans anwesend waren. Möglicherweise waren es zu viele, denn ein Angriff folgte nicht.

Warnungen vor Gewalt gab es nicht zu Unrecht

Am Spieltag selbst zeigte sich nämlich, dass die russischen Hooligans bevorzugt Gruppen angriffen, die deutlich kleiner waren als ihre jeweilig eigenen Trupps. Einige BVB-Fans liefen in voller Fanpracht durch die Stadt und waren so natürlich leicht auszumachen. Einige mögen sagen: „Selbst schuld!“, aber sollte man in einem zivilisierten Staat erwarten können, dass dies gefahrlos möglich ist? Hier war das definitiv nicht der Fall. Trotzdem gab es die Warnungen zuvor nicht zu Unrecht. Wer keine Fanklamotten trug, an den wurde sich meist von hinten angeschlichen. Wurde erkannt, dass deutsch gesprochen wurde, wurde kurz die Schulter angetippt und wenn sich die BVB-Fans umdrehten, saß bereits der erste Schlag im Gesicht. In wenigen Fällen wurde auf dem Boden liegenden Fans auch noch gegen den Kopf getreten, sehr oft wurden dagegen Taschen, Geldbörsen und Handys geklaut.

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Die Polizei sah sich leider auch mitten im Stadtzentrum, an der Prachtstraße „Newski-Prospekt“ nicht zum Einschreiten veranlasst, zumindest gibt es keine Fanberichte, in denen die Polizei geholfen hätte. Im Gegenteil – bei manchen Vorfällen hätten die Polizisten auf der anderen Straßenseite nur gelacht, obwohl grundsätzlich Polizei und Militär sehr präsent in den Straßen der Stadt unterwegs sind.

Zum Treffpunkt am russischen Museum ging es für uns vom Hostel trotz der geringen Entfernung von etwas über einem Kilometer mit dem Taxi. Dies war offenbar eine weise Entscheidung, hatten doch einige Fans selbst kurz vor Eintreffen am Treffpunkt noch Schläge kassiert. Am Treffpunkt sah man viele Borussen mit gebrochenen Nasen und geschwollenen Gesichtern. Die Busse zum Stadion fuhren reibungslos. Dort angekommen, wurden jedoch die letzten beiden Busse (darunter auch der in dem ich saß) irgendwie vergessen, so dass nur mit Verzögerung der Weg zum Stadion angetreten wurde. Dies auch nur mit notdürftiger Bewachung, so dass beim Marsch über das Stadiongelände zum Gästeblock noch einige Schläge von St. Petersburg-Fans ungehindert ausgeteilt werden konnten. Die strengen Einlasskontrollen (niemand durfte mehr als ein Taschentuch mitnehmen, selbst Asthmaspray durfte nur durch Intervention der Fanordner des BVB mitgenommen werden) führten dazu, dass einige Fans den Anpfiff und damit die schnellen zwei Tore des BVB kurz darauf verpassten.

Geplatzte Absprachen vor Ort

Mit sportlichem Erfolg und erneut in den Bussen ging es dann zu einem anderen Platz zurück, um den Hooligans nicht gleich wieder ans Messer geliefert zu werden. Von dort fuhren - wenn auch sehr verzögert - Taxis ab. Dass einige Busse die meistgebuchten Hotels von BVB-Fans noch anfahren sollten, scheiterte leider daran, dass die Busfahrer kurzfristig ihr Schichtende verkündeten und die Leute aus dem Bus baten. Die BVB-Fanbetreuung schüttelte in den Tagen wohl nicht nur einmal den Kopf wegen geplatzter Absprachen.

Die Reise wurde ungeachtet der Schönheit der Stadt und des Spiels leider nachhaltig getrübt. Was bringen Sanktionen der UEFA, wenn in der Stadt die Polizei nicht für die Sicherheit der Gäste sorgen kann oder will? Die UEFA hat hier wohl geringsten Einfluss. Trotz aller Fehler die unsere Polizei auch zu gerne macht, können wir in dieser Hinsicht froh sein, dass das System bei uns zumeist funktioniert. Sie wird auch beim Rückspiel präsent sein und für die Sicherheit beider Fanlager sorgen. „Internet-Hooligans“, die schon vom Sofa aus in Foren und bei Facebook Rache an den Fans aus St. Petersburg ankündigten, werden von der Polizei aber sicherlich nicht in Schach zu halten sein.

Julian Bräker (www.gibmich-diekirsche.de), 3. März 2014

BVB zerlegt Zenit

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