Dortmund. Mit 0:3 unterlag Borussia Dortmund beim Hamburger SV – und ließ dabei alle Tugenden vermissen, die den BVB sonst auszeichnen. In einer durchweg enttäuschenden Partie erreichte keiner der BVB-Akteure seine normale Form.
Marcel Schmelzer versuchte es gar nicht erst. „Das sind einfach zu viele, um sie jetzt aufzuzählen“, sagte der Linksverteidiger von Borussia Dortmund, als er nach den Gründen für die 0:3-Niederlage beim Hamburger SV gefragt wurde. Mittelfeldspieler Nuri Sahin dagegen, konfrontiert mit der Frage, was gefehlt habe, brachte es kurz und knapp auf den Punkt. „Alles.“
Es fehlte an Tempo, Spielwitz, Einsatz, Pressing – kurz: an allem, was das BVB-Spiel normalerweise ausmacht. „Um in der Bundesliga das Spiel zu gewinnen, musst du einfach mehr investieren, das ist Fakt“, haderte Sahin. „Jeder Einzelne von uns hat heute nicht das gezeigt, was er zeigen kann und auch zeigen muss.“
Auch BVB-Trainer Jürgen Klopp war mächtig bedient: "Es gibt diesen alten Spruch: Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss. Den hasse ich wie nichts anderes. Ich finde, ein Pferd hat so hoch zu springen wie es kann“, schimpfte er. „Wir haben heute geguckt, wie hoch wir springen müssen, und als wir festgestellt haben, dass es nicht so hoch ist, waren wir im Hintertreffen."
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Die Krux mit dem springenden Pferd
Der Coach hatte vor den Hanseaten gewarnt, hatte einen kampfstarken, kompakt stehenden Gegner prognostiziert, der das Mittelfeld eng machen würde. Es dürfte seine Mannschaft also nicht sonderlich überrascht haben, dass der HSV genau das tat. Der neue Trainer hatte seine Mannschaft gehörig umgebaut, hatte kampfstarke Raubeine wie Tomas Rincon, Petr Jiracek und Slobodan Rajkovic eingebaut. Besonders das Zentrum riegelten die Hausherren gekonnt ab. Ausnahmestürmer Robert Lewandowski kam überhaupt nicht zum Zug, Spielmacher Henrikh Mkhitaryan blieb blass. Und auch über die Außenspieler Pierre-Emerick Aubameyang, Kevin Großkreutz und später Marco Reus lief wenig. Der BVB erlebte schlicht den Komplettabsturz aller seiner Systeme.
In der Halbzeitpause fand Trainer Jürgen Klopp deutliche Worte: „Laut war es nicht, aber es war nicht die schönste Halbzeitpause, die ich je erlebt habe“, berichtete Nuri Sahin. „Es sind klare Worte gefallen, das war auch nötig.“ Nötig waren freilich auch Änderungen auf dem Platz, und die nahm Klopp vor: Er ging volles Risiko, als er – den allerdings ebenfalls schwachen – Sechser Sven Bender nach 45 Minuten vom Feld nahm und stattdessen Offensivspieler Marco Reus einwechselte. Kevin Großkreutz rückte von links ins offensive Mittelfeld, sodass der BVB nun statt des gewohnten 4-5-1- in einer 4-1-4-1-Formation spielte.
Das ging zunächst auf, die Offensivreihe hatte in der Anfangsphase des zweiten Durchgangs deutlich mehr Zugriff auf den gegnerischen Spielaufbau und konnte den Pressingdruck erhöhen. Doch nach kurzer Zeit hatten sich die Hamburger darauf eingestellt, umspielten die erste Pressingreihe mit schnellem Vertikalspiel und fanden dahinter große Räume vor, die der einzig verbliebene Sechser Sahin gar nicht alle stopfen konnte – auch weil die offensiven Außen die Rückwärtsbewegung vernachlässigten. Die sonst unerbittliche Hetzjagd auf den Ball wollte in der Hansestadt nicht so recht in Gang kommen.
Den HSV unterbewusst unterschätzt?
Hatte der BVB seinen Gegner angesichts dessen 17. Tabellenrangs schlicht unterschätzt? „Bewusst auf keinen Fall“, wehrte Innenverteidiger Manuel Friedrich ab. Heißt im Umkehrschluss: Unterbewusst war dies durchaus möglich.
Das hieße aber auch, dass es sich um einen einmaligen Ausrutscher und keinen dauerhaften Systemabsturz handelt. „Wir können ganz anders auftreten, wir wissen um unsere Stärken“, beteuerte Friedrich. „Wenn die richtige Einstellung da ist und wir wieder ordentlich Fußball spielen, jeder den Ball haben will und die Bereitschaft eine andere ist als heute, müssen wir uns vor keinem Gegner verstecken.“
Aber eben auch nur dann.